Stresszyklus beenden - Wie kann ich nach einer Stresssituation wieder zum Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit kommen?

8 Strategien, die dir helfen, nach einer stressigen Situation wieder ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu erlangen.

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von Soraida Velazquez Reve, March 5, 2024
Stresszyklus beenden

Dieser Text beschäftigt sich, wie die beiden vorherigen, mit dem Thema „Stress“. Der hier vorgestellte Ansatz zum Thema „Stresszyklus beenden“ basiert auf der Arbeit von Emily Nagoski und Amelia Nagoski. Sie stellt meiner Meinung nach eine sehr gute Ergänzung zu den gängigen Betrachtungen von „Stress“ und dem Umgang mit Stressoren und Stressreaktionen dar. In ihrem Buch: „Warum Frauen leichter ausbrennen und was sie für sich tun können“ von 2019 fokussieren sich die beiden vor allem auf Frauen beziehungsweise weiblich gelesene Personen. Der Bedarf, einen Stresszyklus zu beenden, ist jedoch ein evolutionärer, der unabhängig von Geschlecht und Gender an sich ist. Was Stressoren sind, steht jedoch aufgrund der Strukturen, in denen wir leben, in Verbindung mit Gender und Geschlecht. 

Was bedeutet es, den Stresszyklus zu beenden?

„Nur, weil du den Stressor bezwungen hast, hast du nicht den Stress bewältigt“, so heißt es in dem Buch der Schwestern. Sie beschreiben neben dem Beispiel eines Löwenangriffs ein sehr alltagsnahes Beispiel aus dem Arbeitskontext: 

„Angenommen, der Stressor ist kein Löwe, sondern irgendein Idiot bei der Arbeit. Dieser Idiot bedroht zwar nicht dein Leben, aber er geht dir auf die Nerven. Bei einem Meeting sagt er etwas Blödes, und bei dir werden ähnlich viel Adrenalin, Kortisol und Glykogen freigesetzt. Aber du musst dasitzen und ‚nett‘ sein. Dich ‚sozial angemessen‘ verhalten. Die Situation würde nur eskalieren, wenn du über den Tisch springen und ihm die Augen auskratzen würdest, wie deine Physiologie es dir sagt. Stattdessen musst du ruhig bleiben, sozial angemessen, dich mit seinem Vorgesetzten treffen und dessen Unterstützung dafür einholen, dass du das nächste Mal einschreiten kannst, wenn der Idiot Blödsinn erzählt.“

Diese Situation kennen wohl einige Personen. Und möglicherweise auch das Gefühl, die Situation jetzt geklärt zu haben, aber nicht das Gefühl zu haben, sicher und geborgen zu sein - den „Stress“ bewältigt zu haben. Es geschieht zwar eine Reduktion der Hormone und Botenstoffe im Körper und eine Reduktion der Anspannung, jedoch stellt sich keine vollständige Entspannung ein.

Den Stresszyklus zu beenden bedeutet demnach, dem gesamten Organismus zu vermitteln, in Sicherheit und Geborgenheit zu sein. Die Beendigung des Stresszyklus‘ kann sich durch ein Gefühl der Leichtigkeit, einer Veränderung in der Stimmung und Entspannung bemerkbar machen. Vor allem nach jahrelang angestautem „Stress“ kann es regelmäßige Übung benötigen, um Stück für Stück näher an diesen Zustand des beendeten Stresszyklus zu gelangen, um die aufgestauten Anspannungen und Blockaden, Unruhe und Unsicherheit zu lösen. 

Fragen zur Selbstreflexion

  • Wie fühle ich mich nach einfachen Stresssituationen?
  • Wie fühle ich mich nach wiederkehrenden Stresssituationen?
  • An welche Situationen kann ich mich erinnern, in denen ich trotz Klärung der Angelegenheit (Stressor) weiterhin angespannt und unsicher warst (im Stresszyklus)?
  • In welchen Situationen fühle ich mich sicher und geborgen?
  • Bei welchen Aktivitäten fühle ich mich sicher und geborgen?
  • Welche Situationen und Aktivitäten von den oben genannten wirken kurzfristig, welche langfristig?
  • Wann habe ich mich zuletzt komplett entspannt und sicher gefühlt?
  • Was war damals anders (als ich mich entspannt und sicher gefühlt habe), als in der Zeit, in der ich mich unsicher gefühlt habe? 
  • Über welche Ressourcen und Fähigkeiten verfüge ich oder welche werden mir nachgesagt, die mir bei der Beendigung des Stresszyklus behilflich sein könnten?
  • Wie kann ich mein Wohlbefinden als Aktivität in mein tägliches Handeln integrieren? (u.a. zeitlich, Art und WEise)
  • Welche körperlichen Aktivitäten sind für mich umsetzbar, um den Stresszyklus zu beenden?
  • Welche Unterschiede nehme ich wahr zwischen dem inneren Mitteilen „Alles ist gut.“ und der aktiven Ausübung einer körperlichen Aktivität (oder einer anderen der vorgestellten Übungen s.u.) nach einer Stresssituation?

Entdecken und Experimentieren

Hier werden nun einige Anregungen zum Beenden der Stresszyklen erklärt. Probiere diejenigen für Dich aus, die Dir zusagen. Fühle Dich frei, sie an Dich und Deine Situation anzupassen, sowie die Übungen, die Dir gar nicht zusagen zu übersehen. Sei Dir bewusst, dass es je nach Tagesverfassung und Situation unterschiedlich sein kann.

  1. Körperliche Aktivität

Jegliche Art der körperlichen Aktivität wird als hilfreichste Methode zur Beendigung des Stresszyklus‘ angesehen. Ob Du für Dich entscheidest zu Laufen, zu Tanzen, HIT-Training zu machen, wild zu zappeln oder Hockey zu spielen, ist dabei Dir überlassen. Dabei reichen bereits zwanzig bis sechzig Minuten pro Tag, um den Stresszyklus zum Abschluss zu bringen. 

Bei körperlicher Aktivität wird dem Organismus vermittelt, dass die Bedrohung überwunden wurde und Du sicher bist.

  1. Atmen 

Tiefes Ein- und Ausatmen ist eine weitere Möglichkeit, den Stresszyklus zu beenden. Dabei gibt es verschiedenste Ansätze, wie geatmet werden kann. Die Nagoski-Schwestern empfehlen beispielsweise einfach einzuatmen, dabei bis fünf zu zählen, den Atem dann anzuhalten, bis fünf zu zählen und langsam auszuatmen. Beim Ausatmen empfehlen sie, bis zehn zu zählen. Insgesamt kannst Du diesen Vorgang dreimal wiederholen. Dein vorheriges Stresslevel sollte dabei eher moderat, also nicht zu hoch sein. 

  1. Positive soziale Interaktion

Da es beim Beenden des Stresszyklus vor allem darum geht, sich sicher und geborgen zu fühlen, ist diese Strategie wohl eine der schnell nachvollziehbaren. Mit positiver sozialer Interaktion sind Dinge gemeint, wie eine angenehme lockere Unterhaltung, Komplimente zu geben und sich in soziale Settings zu begeben, die locker sind. 

  1. Lachen

Durch gemeinsames Lachen wird die Zufriedenheit erhöht, sowie die eigenen Gefühle reguliert. Dabei sei es hilfreich tief von Innen heraus zu lachen. Sich also mit den Freund:innen auszutauschen, die sehr humorvoll sind, oder bewusst eine Comedysendung oder ähnliches anzuschauen, bei der Du weißt, dass Du Dich vor Lachen nicht halten kannst, ist auch eine hilfreiche Strategie.

  1. Zuneigung

Dabei ist der Kontakt zu einer Person gemeint, die Du schätzt und die Dich schätzt. Eine Umarmung signalisiert Dir, dass alles in Ordnung und Du sicher bist. Auch ein Kuss kann Dir dieses Gefühl geben. Zeitlich wird dabei empfohlen, die Umarmung für mindestens zwanzig Sekunden und einen langen Kuss von mindestens sechs Sekunden durchzuführen, um den Stresszyklus zu beenden. 

Solltest Du keine solche Person zur Verfügung haben, kann auch das Kuscheln mit und Streicheln von Haustieren den gleichen Effekt haben. 

  1. Spiritualität

Auch Spiritualität ist hilfreich, um den Stresszyklus zu beenden. Das Bewusstsein, dass es etwas größeres als die eigene Person gibt, von dem Liebe und Schutz ausgeht. Spiritualität wirkt auch durch ein Gefühl der Verbundenheit, der Gemeinschaft. Sie wirkt ähnlich wie die zuvor genannte Zuneigung. 

  1. Weinen

Oder auch „der gute alte Heulanfall“. Weinen hilft dabei, die Anspannung zu lösen. Statt Gefühle zurückzuhalten oder zu unterdrücken, kann Weinen dabei behilflich sein, Deinen Organismus aus dem Stresszyklus zu holen, auch wenn es an sich nicht den Stressor bewältigt. Ähnlich wie bereits beim „Lachen“ kannst Du auch hier ganz bewusst Medien (Film, Musik, …) nutzen, um alles aus Dir heraus zu weinen. Vielleicht hast Du da den einen Film oder erstellst Dir genau für diesen Anlass eine Playlist. Schaffe Dir dafür gern den Raum, um von Innen heraus und nicht nur verhalten weinen zu dürfen. 

  1. Kreativer Ausdruck

Die letzte Methode, die in dem Überblick angeboten wird, ist das kreative Schaffen. Es umfasst im Grunde jede kreative Tätigkeit. Ob Du schreibst, malst, komponierst, choreografierst oder was auch immer Dein kreatives Selbst als Ausdrucksform hat, kreativer Ausdruck kann hilfreich sein, um Emotionen auszudrücken und tiefer zu empfinden. Du schaffst eine neue Ebene, um diese auszuleben und Kreatives Schaffen kann den Freiraum geben, alle Gefühle und Gedanken auszudrücken und somit Raum zu schaffen für Geborgenheit und Sicherheit. 

Inner Work for a Healthy Workspace

In diesem Format bekommst Du einen grundlegenden Hintergrund zu psychologischen Phänomenen und hast die Möglichkeit mit Hilfe von Fragen und Übungen Dich selbst kennenzulernen und auszuprobieren. Dabei können die Fragen Dir behilflich sein, ganz eigene, neue Antworten zu finden. Du kannst die Fragen auch gern anderen Personen stellen, um deren Antworten mit Deinem Selbst-Verständnis zu vergleichen. Die Übungen sind Anregungen, um etwas Neues auszuprobieren. Sehe sie eher wie ein Experiment oder eine Entdeckungsreise als eine Akutlösung oder DAS Rezept. Denn das eine Rezept gibt es bei so viel Vielfältigkeit sowie so nicht. 

Einige Themen können Dich dabei mehr, andere weniger ansprechen. Schau für Dich immer wieder, was zu dem Moment, zu Dir und Deinen Ressourcen passt und traue Dich, Dinge einmal anders zu machen.

 

Soraida Velazquez Reve ist eine psychologische Psychotherapeutin mit verhaltenstherapeutischer Ausrichtung, systemischer Coach und hat viele Jahre im Bereich Tanz und Fitness gearbeitet. Sie arbeitet mir Einzelpersonen und Gruppen im Bereich der Prävention, Akutbehandlung, Nachsorge, sowie Arbeitsgesundheit. 

Sie liebt eine interdisziplinäre und ganzheitliche Perspektive und Arbeitsweise. Wissen und eigene Entwicklung erfahrbar zu machen liegt ihr sehr am Herzen, sodass sie in ihrer Arbeit gern aktive Übungen zum eigenständigen Entdecken und Erleben integriert. Diesen Ansatz lebt sie in ihren Therapien, Coachings, Programmen und Gruppensessions. 

Innere Arbeit ist berührend, herausfordernd und benötigt Ressourcen wie Energie und Zeit. Sie darf jedoch auch die innere Entdeckungsfreude aktivieren, Spaß machen und beleben.