Gemeinsam die großen Herausforderungen angehen

Die Kraft des Bewusstseins und der Verbundenheit

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von Patricia Theren und Lena Kaufmann, February 5, 2025
Sonnenblume

In einer Zeit, in der unsere Welt mit tiefgreifenden Krisen wie der Klimakatastrophe, dem Verlust von Biodiversität und wachsender sozialer Ungleichheit konfrontiert ist, stehen wir vor der drängenden Frage: Wie können wir nicht nur Schäden begrenzen, sondern aktiv zu einer lebendigen und lebenswerten Zukunft beitragen? Dieser Artikel ist ein persönlicher Dialog zwischen Lena und Patricia, zwei Kolleginnen, die sich intensiv mit regenerativen Ansätzen im privaten und beruflichen Kontext beschäftigen. Im Gespräch beleuchten sie, wie innere und äußere Transformationen zusammenwirken und wie die Verbundenheit mit der Natur und anderen Menschen zu einem zentralen Anker eines neuen Wirtschaftens werden kann.

Beide Frauen verstehen sich als Teil der globalen Bewegung des regenerativen Wirtschaftens, die wirtschaftliche Aktivitäten als Teil lebendiger, vernetzter sozial-ökologischer Systeme begreift. Statt nur Schäden zu minimieren, strebt sie danach, Wirtschaftsweisen zu entwickeln, die aktiv zur Regeneration von Ökosystemen und sozialen Strukturen beitragen. Das Wort Regeneration setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Die lateinische Vorsilbe „re“ steht für Wiederholung. "Generare" bedeutet so viel wie (er)zeugen, erschaffen, hervorbringen.

Warum machen wir das alles?

Heute ist wieder einer dieser Tage. Das Wetter grau, regnerisch und kalt. Das Weltgeschehen so, dass ich, Patricia, mich am liebsten einschließen würde und wie das Affen-Emoji die Augen zukneifen und die Hände über die Ohren halten möchte. Ich bin trotzdem ins Büro gefahren, weil mich der Kontakt zu meiner Kollegin Lena immer inspiriert und aufheitert. Uns treibt beide ein tiefer Wunsch an, die Welt, in der wir leben, zum Besseren zu verändern. An Tagen wie diesen komme ich da schonmal ins Schwanken und ein Funke Hoffnungslosigkeit brennt sich in meinen Brustkorb. Dann versuche ich mich daran zu erinnern, warum ich das alles mache.

Patricia: „Wir versuchen mit aller Kraft den Gedanken des regenerativen Wirtschaftens in die Welt zu tragen, damit dieser sich verbreiten kann. Ich stelle mir das immer so vor, als würden wir Samen in den Unternehmen säen und aus diesen Samen wachsen Pflanzen, die durch das ganze Unternehmen ranken, alte Fundamente mit neuen Wurzeln einreißen, alles verändern – zum Positiven. Ich mag das Bild so sehr, weil es mich an meine Verbundenheit mit der Natur erinnert. Welche Bilder kommen dir in den Sinn, wenn du an die Verbundenheit zu dir selbst denkst – und daran, warum sie die Grundlage für die Veränderungen ist, die wir so dringend brauchen?“

Warum Verbundenheit der Schlüssel zur Regeneration ist

Lena lehnt sich in ihrem Bürostuhl zurück und nimmt sich erstmal Zeit, über eine Antwort nachzudenken. Das ist auch etwas, dass ich an ihr schätze: Sie denkt nicht nur über das nach, was ich sie gefragt habe. Sie fühlt rein, baut erstmal die Verbindung zu sich selbst auf, bevor sie durch ihre Antwort eine Verbindung zu mir sucht.

Lena: „Du hast Recht: Es beginnt mit der Erkenntnis, dass alles miteinander verbunden und voneinander abhängig ist. Da ist die Natur unser bestes Vorbild: Sie funktioniert in lebendigen Systemen und symbiotischen Beziehungen, in Zyklen und ständiger Veränderung. Wir sind ja selbst Natur. Wenn wir unserer Mitwelt schaden, schaden wir uns selbst. Wenn man diese Erkenntnis wirklich verinnerlicht hat, dann ist regeneratives Wirtschaften keine Aufgabe mehr, die wir angehen müssen, weil wir sonst unsere Lebensgrundlage zerstören, sondern die einzig logische Konsequenz.“

Sie macht wieder eine Pause, um weiter nachzudenken und zu fühlen.

Lena: „Du hast mich nach einem Bild gefragt. Ich mag deine Pflanzenmetapher sehr, weil sie diese großen Kreisläufe im Kleinen sichtbar und greifbar macht. Mir kommt meine Lieblingsblume, die Sonnenblume, in den Sinn. Sie richtet ihre Blüte immer nach der Sonne aus und nimmt die Kraft, die diese ihr einfach so zur Verfügung stellt, in sich auf. Ihre Wurzeln reichen tief in den Boden, wo sie Wasser und Nährstoffe bekommt. Sie ist verbunden mit der Erde, mit dem, was sie trägt. Während sie wächst und gedeiht, nimmt die Kohlendioxid auf und sorgt so für bessere Luft für uns alle. Und wenn sie schließlich ihre Samen abgibt, tut sie das nicht nur, um sich selbst zu vermehren, sondern auch, um andere Lebewesen zu nähren. Wir Menschen können Öl aus ihr gewinnen und uns im Sommer an ihrer Schönheit erfreuen. Sie ist robust, trotzt starken Winden und steht oft in Gemeinschaft.“

Die Sonnenblume als Metapher für regeneratives Wirtschaften: Energie aufnehmen, in Verbindung gedeihen und etwas zurückgeben – an die Gemeinschaft, die Natur und an sich selbst. Diese Balance brauchen wir gerade jetzt, um die großen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen – und sie fruchtet aus dem Bewusstsein der Verbundenheit.

Nun lehne ich mich auch in meinem Stuhl zurück und versuche bewusst den Boden unter meinen Füßen zu spüren, mich zu verwurzeln. Die Hoffnungslosigkeit des Morgens zu ersetzen mit Verbindung.

Regenerative Transformation in Unternehmen: Raus aus der Ellenbogenwirtschaft

Patricia: „Das Bild mit der Sonnenblume ist wirklich wunderschön. Wir sollten als Gesellschaft viel häufiger in positiven Bildern miteinander sprechen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Verbindung zu uns selbst auch die Verbindung zu unserer Mitwelt stärkt oder überhaupt wiederherstellt, entstehen daraus ja neue, inspirierende Bilder.

Wenn wir es schaffen, gemeinsam Synergien zu entwickeln und uns als Gemeinschaft weiterzuentwickeln, entsteht ein starkes Netzwerk, das sich von den bisherigen Mustern des Wirtschaftens löst. Das übergeordnete Ziel wäre dann, für die Menschen und die Mitwelt Mehrwert zu schaffen. So können wir wegkommen von der Ellenbogengesellschaft und den Fokus auf das Gemeinwohl und eine lebenswerte Zukunft für alle legen. Stell dir nur vor, wie sich die Welt verändern würde!“

Lena: „Wenn dieses ‚mehr zurückgeben‘ im Unternehmenszweck verankert ist, spüren das die Menschen im Unternehmen und darüber hinaus. Es geht dann nicht mehr nur um die Gewinnmaximierung einzelner Anteilseigner, sondern darum, dass es dem ganzen System besser geht – also den Mitarbeitenden, den Partnerunternehmen, der Natur oder der lokalen Gemeinschaft. Manche Unternehmen gehen sogar so weit, dass sie ihre Rechtsform in Verantwortungseigentum umwandeln, um sicherzustellen, dass das Unternehmen vorrangig der Verwirklichung des Unternehmenszwecks dient.

So eine andere Weltanschauung geht auch nicht spurlos an der Unternehmenskultur vorbei: Statt einem Arbeitsumfeld, in dem eine Deadline die nächste jagt und das Stresslevel kontinuierlich steigt, kann eine Kultur entstehen, in der echte, empathische Zusammenarbeit gelebt wird. Es wird Wert daraufgelegt, dass sich die Menschen weiterentwickeln und ihre Stärken einbringen können. Aber auch Einschränkungen und negative Gefühle finden hier ihren Raum.

Klar ist: So vielfältig wie die Natur ist, so unterschiedlich sind auch Unternehmen. Es gibt da kein Patentrezept: Jedes Unternehmen macht sich auf eine individuelle Reise.“

Positive Bilder für eine positive Zukunft

Wir schwelgen in den Bildern, die von einer regenerativen Zukunft auftauchen. Sie geben uns Mut, Orientierung und Energie zum Handeln. Uns ist klar, dass so tiefgreifende Transformationen Zeit und Kraft brauchen: Alte Denkmuster und Glaubenssätze müssen verändert werden, Systeme hinterfragt und erneuert. Aber wir machen uns auf den Weg, sammeln Zuversicht in Begegnungen und Gesprächen, und säen die Samen. Gibt es etwas Schöneres, wofür wir einstehen könnten?  


Über die Autorinnen

Patricia Theren und Lena Kaufmann sind Teil des REGWI Institut für Regeneratives Wirtschaften, An-Institut der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft.

Ihr aktuelles Herzensprojekt ist der re:connect Inkubator – ein bundes- und EU-gefördertes Programm, das Start-ups und Unternehmen mit ökologischen und sozialen Zielen ein Unterstützungsnetzwerk bietet. In Zusammenarbeit mit fiveP bietet REGWI Bildung, Vernetzung und individuelle Begleitung. Gemeinsam schaffen sie eine starke Basis für regenerative Entwicklung und Wirkung.

Die erste Kohorte des neuen Weiterbildungsprogramms re:connect startet im April 2025. Unternehmen können sich ab sofort informieren und bewerben: www.reconnect-inkubator.org.