Gerechter Zugang zu Bildung durch einen umgekehrten Generationenvertrag

Mit einem ethischen & nachhaltigen Finanzierungsmodell will Batya Blankers Frauen in Ruanda ermöglichen, ihre Karriere selbst in die Hand zu nehmen.

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by Stephanie Jassat, December 15, 2018

CHANCEN International ist ein Social Start-Up, das Stipendien nach dem Modell des „umgekehrten Generationenvertrags“ vergibt. Derzeit läuft eine Crowdfunding-Kampagne für eine neue Finanzierungsrunde: Frauen in Ruanda sollen die Möglichkeit erhalten, IT und Entrepreneurship zu studieren und ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen! Im Interview erzählt uns die Geschäftsführerin Batya Blankers, wie CHANCEN International funktioniert und was für Herausforderungen das Start-Up meistern muss.

Was ist CHANCEN International? Was ist das Ziel eurer Organisation?

Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, mehr Jugendlichen einen Zugang zu höherer Bildung und zur Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen. Unser ethisches und nachhaltiges Finanzierungsmodell ermöglicht Individuen den Zugang zu Bildungseinrichtungen, die ihnen das Wissen und die Kompetenzen dafür vermitteln, einen sicheren Arbeitsplatz zu finden oder ein Unternehmen zu gründen. CHANCEN International ist eine Gemeinschaft, die sich solidarisch für einen gerechten Zugang zur Bildung einsetzt.

Könnten Sie Ihr Geschäftsmodell kurz erläutern?

Unser ethisches und nachhaltiges Finanzierungsmodell wird als umgekehrter Generationenvertrag (UGV) bezeichnet und funktioniert so:

  1. Wir nutzen die Gelder von Impact Investoren und Spendern, und investieren sie in Einzelpersonen, indem wir die Kosten für ihre Hochschulausbildung übernehmen.
  2. Wir wählen Partnerbildungseinrichtungen aus, die eine qualitativ hochwertige, ganzheitliche Ausbildung anbieten, die arbeitsmarktrelevant ist und den Studierenden die Fähigkeiten vermitteln, die sie für die Jobs von morgen benötigen.
  3. Studierende, die unsere Partnerinstitutionen besuchen, können ihre Ausbildung finanzieren, indem sie mit uns einen umgekehrten Generationenvertrag abschließen.
  4. Als Absolvent*innen sind sie dann verpflichtet, einkommensabhängige Rückzahlungen an die CHANCEN Community zu leisten, die in die nächste Studierendengeneration reinvestiert werden.

Wie ist der aktuelle Stand und was sind die nächsten wichtigen Schritte?

CHANCEN International wurde Anfang dieses Jahres gegründet und ist eine Tochtergesellschaft der CHANCEN eG. Unsere Muttergesellschaft bietet den UGV an 14 Universitäten in Deutschland an. Unser erstes afrikanisches Büro haben wir in Ruanda gegründet. Mit einem lokalen Team von drei leidenschaftlichen und impact-orientierten Mitarbeitern konnten wir schon in diesem Jahr 420 Studentinnen des Akilah Institutes unsere UGVs anbieten. Das Akilah Institut ist unsere erste Partnerinstitution und bietet Hochschulausbildung für Frauen an. Dabei wird besonderer Wert auf die Vermittlung von Führungsqualitäten, kritischem Denken und einer dynamischen Denkweise gelegt.

Darüber hinaus haben wir zwei weitere Partnerschaftsverträge mit Kepler und FAWE unterzeichnet. Kepler bietet qualitativ hochwertige Bachelor-Programme in den Bereichen Business Communications, Business Management und Gesundheitsmanagement. FAWE ist eine gemeinnützige Organisation, die Frauen dabei unterstützt, ihre Fähigkeiten in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Technik zu vertiefen.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen ihr steht?

Eine der Herausforderungen besteht darin, dass Investitionen in Bildung immer langfristig sind. Wenn wir Impact-Investitionen annehmen, ist dies für mindestens 10 Jahre, und das ist für viele Investoren sehr lang. Und dann können wir nur 2% jährliche Rendite anbieten, sonst würden wir unsere Studenten überlasten und unser Angebot wäre nicht mehr fair. Daher konzentrieren sich unsere Fundraising-Aktivitäten derzeit auf Zuschüsse und Spenden. Der Nutzen für philanthropische Geldgeber besteht darin, dass wir die Rückzahlungen von Studenten nutzen und sie direkt in die nächste Generation investieren.

Wann und warum habt ihr die Zusammenarbeit mit Ruanda begonnen?

Im Jahr 2017, vor der Gründung der Tochtergesellschaft, haben wir unser Konzept entwickelt und intensive Feldforschung durchgeführt. Wir wollten sicherstellen, dass das Modell zu den regionalen Anforderungen in Ruanda passt. Eine Lösung wie der UGV wird in Ruanda dringend gebraucht. Dementsprechend, haben wir Anfang dieses Jahres ein Büro in Kigali eröffnet und wir arbeiten dort mit drei Bildungseinrichtungen zusammen, die dringend nach einer fairen finanziellen Lösung suchten, die sicherstellen kann, dass niemand von einer weiterführenden Ausbildung ausgeschlossen ist.

Wer sind die Studentinnen, die ihr fördert?

Dem Akilah Institute ist es besonders wichtig, Studentinnen zu erreichen, die normalerweise keinen Zugang zu Hochschulbildung haben. Ab September eines jeden Jahres veranstaltet das Institut Informationsveranstaltungen in Gemeindesälen und Sekundarschulen in den ländlichen Gebieten Ruandas. Wir stehen hinter diesen Bemühungen und stellen sicher, dass alle Antragsteller wissen, dass finanzielle Belange sie nicht daran hindern sollten, sich bei Akilah zu bewerben. Die Ausgangdaten unserer ersten Kohorte zeigen, dass über 55% der Studentinnen aus ländlichen Gebieten kommen und 81% von ihnen von alleinerziehenden Müttern erzogen werden.

Was studieren sie und was wollen sie erreichen? Was sind ihre Träume?

Das Akilah Institut bietet Ausbildungen in den Bereichen Hotelmanagement, Entrepreneurship & Business Management und Informationssysteme an. Die Tourismusbranche in Ruanda wächst und viele Studentinnen freuen sich auf die Arbeit in diesem Sektor. Mit dem Fokus auf Öko-Tourismus tragen sie auch zur nachhaltigen Entwicklung in diesem Bereich bei. Kigali, die Hauptstadt Ruandas, entwickelt sich auch schnell zu einem Expertise-Zentrum in der Region. Es entstehen viele Start-ups und die Studentinnen der Informationstechnologie wollen zu diesem Wachstum beitragen - viele träumen davon, die nächste große App zu entwickeln.

Wie sehen Erfolg und Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt prozentual aus? Und wir messt ihr das?

Bevor wir uns für eine Zusammenarbeit mit einer Partnereinrichtung entscheiden, müssen sie uns den Nachweis erbringen, dass ihre Absolvent*innen Beschäftigung finden können. Wir betrachten auch Indikatoren wie das Einkommensniveau und beruflichen Aufstieg der Absolvent*innen. Im Durchschnitt zeigen unsere Partnerinstitutionen, dass mindestens 88% ihrer Absolvent*innen innerhalb von sechs Monaten nach dem Abschluss eine Anstellung finden, das 12-fache des nationalen Durchschnittseinkommens verdienen und über 58% von ihnen schnell eine Gehaltserhöhung erhalten.

Du bist die Gründerin und Geschäftsführerin von CHANCEN International. Warum hast du dich dazu entschieden, dich dafür zu engagieren und wie bist du in diese Position gekommen?

Ich glaube, dass jeder Einzelne die Möglichkeit haben sollte, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen und hierzu gehört auch Zugang zu Bildung. Einfach ausgedrückt, hat meine Ausbildung mich sehr gestärkt, und jeder in meiner Generation und alle kommenden Generationen sollten diese Möglichkeit auch haben. Ich bin Südafrikanerin, und als ich die Sekundarschule beendet hatte, war ein Studium keine Option, da es einfach zu teuer war. Eines Tages hatte ich die unglaubliche Gelegenheit, in Deutschland zu studieren und finanzierte meine Ausbildung durch den UGV. Als ich von dem Modell erfuhr, wusste ich, dass ich daran arbeiten wollte, es an Orte zu bringen, an denen die Auswirkungen noch größer sein könnten.

Ich begann bei unserer Mutterfirma CHANCEN eG im Bereich Marketing zu arbeiten und bekam dann die Möglichkeit, die Realisierbarkeitsstudie in Ruanda zu leiten. Ich schätze, der Rest ist Geschichte - ich habe meine Berufung im Leben gefunden.

Was sind deine persönlichen Wünsche für dieses Projekt?

Ich hoffe, dass wir eines Tages Studierende auf dem gesamten afrikanischen Kontinent erreichen können. Ich hoffe, dass die CHANCEN-Gemeinschaft für kommende Generationen da sein wird und wir junge Menschen dazu ermutigen können, ihre Fähigkeiten zu erweitern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und einen positiven Einfluss auf ihre Gesellschaft ausüben.

Und dann habe ich noch einen kurzfristigen Wunsch, nämlich dass wir unser Förderziel in unserer Crowdfunding-Kampagne erreichen, siehe hier: https://www.startnext.com/ci