Was kann die Soziale Arbeit von den Social Entrepreneurs lernen und andersherum?

Die Zukunft der Arbeit in der Sozialwirtschaft #3

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by Hendrik Epe, March 13, 2017
Soziale Arbeit - Social Entrepreneurs

ursprünglich erschienen: 29.09.2015

Wir sind hier um Euch Eure Chancen und Möglichkeiten für eine sinnvolle Arbeit im sozialen Sektor zu zeigen. Wir haben Euch schon sehr viel über Sozialunternehmen und Social StartUps erzählt – doch es gibt noch mehr! Die Sozialwirtschaft, inklusive Wohlfahrtsverbänden, sozialen Einrichtungen und andere Träger, bietet Euch viele tolle Möglichkeiten Eure Arbeitskraft sinnvoll einzusetzen.

Deswegen möchten wir Euch in Zukunft über diese Szene up to date halten. Dafür haben wir uns Hendrik Epe ins Boot geholt. Er ist Diplom-Sozialarbeiter. Nach seinem Studium und fünfjähriger Tätigkeit in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung hat er das Arbeitsfeld gewechselt und arbeitet seit nunmehr sieben Jahren im Bereich der Gestaltung und Qualitätssicherung von Hochschulen und Studiengängen im Bereich Gesundheit und Soziales. Also, ein echter Szenenkenner! Auf seinem Blog (www.IdeeQuadrat.de) reflektiert er die Entwicklungen der Sozialwirtschaft und lädt zum mitdiskutieren ein. Unsere Serie zum Thema „Die Zukunft der Arbeit in der Sozialwirtschaft“ macht es möglich. Der Artikel erschien ursprünglich hier.

Wie kann Social Entrepreneurship bei den folgenden Herausforderungen:

  • Innovation
  • Kern finden
  • Wirkungsmessung und
  • Fachkräfte

 ... helfen? Was kann die Soziale Arbeit von den Sozialen Unternehmern lernen?

In meinen Augen ist das recht einfach. Aber der Reihe nach:

1. Innovation:

Ohne Innovation gäbe es den Bereich des Social Entrepreneurship nicht. Neue Wege gehen, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Wie soll das gehen, ohne Innovation?

Wenn man sich ein wenig mit Social Entrepreneurship in Deutschland befasst, wird deutlich, dass es – gefühlt – ein größeres Unterstützungsnetzwerk gibt als Organisationen, die Unterstützung brauchen.

Ein paar Namen:

– Ashoka
– Social Impact Lab

Alle bieten Programme an, Soziale Unternehmer zu unterstützen, neue Dinge auf den Weg zu bringen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, Räume zu ermöglichen etc.

Sie feiern sich und die Menschen, die aus diesen Unterstützernetzwerken hervorgehen.

Geil!

Wieder eine Neugründung, mal schauen, was daraus wird. Scheitern? OK! Neu machen! Weiter!

Wo – mit Blick auf die Soziale Arbeit – findet sich dieses „Geil“ wieder? Wo wird gefeiert? Wo werden Räume ermöglicht, um mit neuen Ideen scheitern zu dürfen?

Davon kann sich die Soziale Arbeit eine gehörige Scheibe abschneiden.

Lasst uns Soziale Arbeit zu etwas „Geilem“ (komisches Wort) machen! Sexy, anziehend und noch viel mehr!

2. Kern

Die Jungs und Mädels, die sich da als „Soziale Unternehmer“ feiern lassen, denken keinen Meter über die Frage nach der Entwicklung der Disziplin und der Profession nach!

Denkste mal!

Und es funktioniert trotzdem! Oder gerade deswegen?

Da arbeiten Juristen mit Medizinern mit BWLern mit Schreinern mit Psychologen mit whatever zusammen!

Um was zu bewegen! Mehr nicht!

Da gab es mal einen netten Karnevalsspruch aus Düsseldorf:

“Net quake! Make!“ (ist Dialekt, nicht englisch).

Auch hier wieder die Soziale Arbeit im Blick: Es gibt viele gute Initiativen, viele hoch engagierte Menschen in der Sozialen Arbeit, die versuchen, den Karren voranzubringen. Die machen! Aber leider – auch hier wieder sehr subjektiv – erkenne ich das nicht im Gros:

Lieber Jammern über schlechte Arbeitsbedingungen, wenig Geld, wenig Möglichkeiten, wenig Disziplin, wenig Profession, wenig Identität, wenig Kern. Wer sind wir eigentlich und wenn ja, wie viele?

Das sollten wir vielleicht lassen und uns lieber ein wenig mehr feiern!

3. Wirkungsmessung

Die Sozialen Unternehmer sind aus mindestens zwei Gründen darauf angewiesen, permanent nachzuweisen, welche Wirkung ihr Tun hat:

  • Einmal bekommen sie sonst schlicht und einfach kein Geld von irgendwelchen Spendern, Stiftungen, EU-Förderungen etc.
  • Und dann können sie das, was sie tun, auch nur rechtfertigen, wenn klar ist, welche Wirkung das hat. Sonst macht das ganze Sozialgequatsche nämlich keinen Sinn. Ich kann zwar Bier für den guten Zweck verkaufen. Wenn der Zweck davon aber gar nichts mitbekommt, sollte ich es besser selber trinken.

Und so wird bspw. über den SROI gesprochen, den Social Return on Investment.

Huhaaaa, wieder so böse Wörter. Aber es sagt: Welchen Nutzen stiftet das eingesetzte Geld? Eine – auch für Kapitalismuskritiker – mehr als berechtigte Frage.

Ja, ich weiß, ich erzähle da vielen Menschen in Organisationen der Sozialwirtschaft nicht wirklich was Neues. Auch hier steht immer die Frage, wie Mehrwert mit den eingesetzten Mitteln erzielt wird, im Vordergrund.

Gleichzeitig habe ich aber auch genug Beispiele gesehen und gehört, bei denen es nicht mehr darum ging, Mehrwert zu stiften. Es ging einzig darum, zu überleben:

Koste es, was es wolle!

Und das kann kein guter Weg sein.

Es geht darüber hinaus auch noch darum, wie ich verkaufe, welche Wirkung ich erzielt habe, wie es nach außen dargestellt wird. Vielleicht bin ich gerade in Feierlaune, was zu bezweifeln ist, hier im überfüllten ICE Richtung Norden, aber auch hier wieder:

Warum feiert sich die Soziale Arbeit so selten? Warum werden gute Ergebnisse so selten eindrücklich nach Außen präsentiert? Das passiert meist in Randbereichen, und wenn dann so, dass niemand versteht, worum es wirklich geht…

Dazu findet ihr hier übrigens ein tolle Projekt, das sich explizit der Zusammenarbeit von Sozialarbeitern und Journalisten widmet, um so die Hürden in der Außendarstellung der Sozialen Arbeit zu überwinden versucht.

Nein, einfache Sprache, große Bilder, so dass auch der letzte Journalist versteht, dass Kickerspielen mehr ist als Kickerspielen und Flüchtlinge durchaus ein Handy besitzen dürfen, um wenigstens etwas Kontakt nach Hause zu halten! Große Sachen machen, auf die Ka… klopfen! Das darf man, das dürfen andere auch! Und wir haben wenigstens allen Grund dazu!

Und darstellen kann man das Ganze dann übrigens mit Hilfe des Social Reporting Standards. Nähere Infos dazu hier.

4. Fachkräfte

Fachkraft bedeutet, dass Menschen spezifische, tiefgehende Kompetenzen auf bestimmten Gebieten aufweisen.

Menschen, die als Fachkraft bezeichnet werden, müssen brennen für ihr Thema, müssen begeistert sein, von dem, was sie tun.

Und hier – bei dieser Begeisterung – denke ich, ist es mehr als hilfreich, auf die Sozialen Unternehmer zu schauen.

Ja, warum denn das? Die haben doch keine Ahnung, von dem was sie tun, es sind oft Fachfremde, BWLer auch noch, oder Physiker oder sowas Absurdes!

Und da soll man hinschauen und sich eine Scheibe von abschneiden?

Ja! Aus meiner Sicht ist – jedenfalls bei vielen – eine Begeisterung erkennbar, ein Glauben daran, dass ihre Idee die Welt tatsächlich verändern kann.

Diese Begeisterung vermisse ich in unserem Bereich leider oft.

Kurzer Exkurs zum Thema Begeisterung? Dann schaut mal hier rein!

Aber nur wenn diese Begeisterung existiert und nach außen gebracht wird, überzeuge ich junge Leute davon, dass es sich lohnt, Fachkraft zu werden. Das es „Sinn“ macht, sich bei einer Sozialen Organisation zu engagieren. Das es wirklich um die Bewegung der Welt geht und nicht darum, zu verwalten, was niemand sonst verwalten will.

Nun gut, das ist alles sicherlich nicht abschließend und vollständig, bei längerem Nachdenken fallen einem bestimmt noch mehr Dinge ein, wie die Soziale Arbeit von den „Social Entrepreneurs“ lernen kann, habe ich oben ja schon mal hervorgehoben.

Und umgekehrt? Oder: Was können Soziale Unternehmer von der Sozialen Arbeit lernen?

Eine Frage, die in meinen Augen im aktuellen Hype um die Sozialunternehmer mehr oder weniger vergessen wird. Deswegen hier mal meine Gedanken dazu:

1. Social Entrepreneuship braucht Breite!

So lässt sich – schon bei einem kurzen Blick auf die Zahlen – festhalten, dass die Social Entrepreneurs mit ihren Angeboten kaum Menschen erreichen. Muss man – im Vergleich zur Sozialwirtschaft – einfach mal festhalten!

Es ist nett, einen Dialog im Dunkeln zu veranstalten. Da arbeiten dann einige sehbehinderte Menschen mit nicht sehbehinderten Menschen zusammen, dass ist wirklich großartig.

Aber alleine die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung der Caritas bieten Arbeits- und Lebensbedingungen für viele tausend Menschen.

Innovative Bildungsinitiativen erreichen sicherlich einige benachteiligte Jugendliche und sind in ihrer Herangehensweise außergewöhnlich.

Aber die Organisationen und Angebote der stationären und ambulanten Jugendhilfe erreichen wiederum vielmal mehr Jugendliche, die ebenfalls Unterstützung brauchen. Und diese Einrichtungen machen eine beeindruckend komplexe Arbeit beeindruckend gut – da kann ich aus eigener Erfahrung berichten.

Das Sozialwesen ist ein enormer Sektor in unserer Gesellschaft – wohl, weil die Sozialen Probleme nicht weniger werden. 

2. Social Entrepreneurship braucht Netzwerke!

Ich mache bislang die Erfahrung, dass viele, toll klingende Angebote der so gefeierten Social Entrepreneurs ziemlich allein im Wald stehen. Da gibt es hier eine Initiative für dies, hier eine Initiative für das, hier ein Projekt, da einen smarten Typen mit einer tollen Idee.

Aber eine wirkliche Zusammenarbeit ist noch nicht zu erkennen, auch wenn die oben aufgelisteten Angebote zur Begleitung der Initiativen versuchen, die Projekte bestmöglich zu unterstützen.

Das ist in meinen Augen insofern verständlich, als dass „Social Entrepreneurship“ oft bedeutet, dass einzelne Personen gefeiert werden. Das ist seltsam, entspricht aber der Vorstellung von „Innovatoren“:

Charismatische Menschen wie bspw. Steve Jobs, der für den Mythos von Apple steht, stehen im Rampenlicht.

Das wird bei den Social Entrepreneurs ebenfalls versucht, macht aber wenig Sinn, wenn es um die Lösung sozialer Probleme gehen soll. Hier wäre eine deutlich stärkere Vernetzung sicherlich zielführender. Das Feiern von einzelnen Menschen erachte ich hier als eher kontraproduktiv, da die Einzelnen alleine niemals Wirkungen erzielen können wie eine breite Masse an Organisationen, die ein ähnliches Ziel verfolgen.

Übrigens: Das war bei Steve Jobs auch nicht anders! Ohne seine Mitarbeiter, seine Teams, seine Partner (und seine Konkurrenz) hätte er wahrscheinlich weiter in seiner Garage gewurschtelt…

3. Social Entrepreneurship braucht Fachkompetenz!

Wieso das denn bitte? Oben steht doch, dass alles prima ist, Fachkompetenz in allen Richtungen! Interdisziplinarität und überhaupt?

Naja, bei näherer Betrachtung basiert die geleistete Arbeit oft auf enormen Engagement und hohem Idealismus.

Hier würde sicherlich eine, zumindest grundlegende, Auseinandersetzung mit rechtlichen, soziologischen, psychologischen, sozialarbeitswissenschaftlichen etc. Herangehensweisen nicht schaden.

Die enorme, jahrzehnte- und jahrhundertelange Erfahrung der (Wissenschaft der) Sozialen Arbeit ermöglicht hier ein Spektrum, dass faszinierende Ressourcen bietet.

Wie wäre es mit fokussierten Weiterbildungen, die die Spezifika der Sozialen Arbeit auf den Punkt bringen. Kurz, knapp, knackig.

Von der staatlichen Anerkennung oder ähnlichem rede ich hier überhaupt nicht. Aber ein Geschäftsmodell für Hochschulen mit dem Angebot von Weiterbildungen? Bspw. „Einführung in die Soziale Arbeit“? Oder einzelne Module? Methoden der Sozialen Arbeit? Hochschulische Kooperationen mit Organisationen der Sozialwirtschaft und Sozialen Unternehmern?

Gibt es auch ein Fazit?

Als Fazit lässt sich festhalten, dass ein Lernen voneinander – ein Lernen der etablierten Sozialwirtschaft von den Social Entrepreneurs und umgekehrt – zu besseren Ergebnissen auf beiden Seiten führt.

Bessere Ergebnisse in der Erreichung der angestrebten Ziele, aber vielleicht sogar eine klarere Konturierung der jeweils eigenen Spezifika:

  • Was ist Soziale Arbeit?
  • Wo ist der Unterschied zu den „Sozialunternehmern“?
  • Gibt es überhaupt einen wirklichen Unterschied?
  • Und ist der Hype um die Sozialen Unternehmer berechtigt oder eher als Laubfeuer zu sehen, das schnell wieder verlöscht?

Diese Fragen lassen sich einfacher beantworten, wenn man sie in Vergleich zu anderen stellt. Und da wird es aus meiner Sicht deutlich, wo die eigenen Stärken liegen, die sich auszubauen lohnen.

Ich habe mal versucht, ein paar Beispiele von Kooperationen zwischen Kooperation der etablierten Sozialwirtschaft und dem Bereich des Social Entrepreneurships zu finden. Hier meine Liste:

  • Wirkungsschmiede (Projekt von Malteser und Ashoka)
  • Mit dem Award “Wirkung2” will die EBS Business School zum einen zeigen, wie erfolgreiche Kooperationen von etablierter Sozialwirtschaft und Sozialunternehmern zur Verbreitung guter Ideen beitragen können (Kategorie “Wirkung Jetzt”) und zum anderen weitere Kooperationen in dieser Art anregen (Kategorie “Wirkung Morgen”).
  • Spannend auch der Beitrag hier, der aus der Sicht der Sozialwirtschaft von “neuen Konkurrenten” spricht.
  • Nochmal was zum Thema Innovation, diesmal aus Hamburg: ” Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg will sich mit PARI INNO gezielt für Social Startups und soziale Ideen öffnen und ihnen zur Wirklichkeit verhelfen. In dieser Kombination – Wohlfahrt + Social Startups – ist das bisher einzigartig in Deutschland.”

Den ersten Artikel der Serie findest Du hier: Die Generation Y und die soziale Arbeit und der zweiten hier.