Nichts geht mehr, die „Batterien sind leer“, die eigene Aufnahmefähigkeit, geschweige denn die Fähigkeit, entspannt auf nervige Anfragen zu reagieren, ohne direkt gereizt zu sein, ist reduziert? So kennst Du Dich gar nicht. Bisher warst Du sehr engagiert, hast für Deine Arbeit gebrannt und bist „all in“ gegangen. Nun bist Du erschöpft, wenig belastbar, einerseits verlangsamt und doch rastlos.
Das könnten alles Hinweise auf ein Burnout-Syndrom sein.
Das Burnout-Syndrom ist per Definition verbunden mit der Arbeit. Laut WHO resultiert es aus chronischem Stress am Arbeitsplatz, mit dem kein erfolgreicher Umgang möglich ist.
Es wird also im beruflichen Kontext verankert und dient per Definition nach WHO nicht dazu, Erfahrungen aus anderen Lebensbereichen zu beschreiben.
Das Burnout-Syndrom ist demnach ein Phänomen des Arbeitskontexts und führt auch besonders in diesem zu einer Reduktion der Effizienz, Fehlern in Arbeitsprozessen und Arbeitsunfähigkeiten. So erhöhten sich nach Daten der AOK von 2011 bis 2020 die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Burnout-Syndrom von 96,9 Tagen je 1000 AOK Mitgliedern auf 131,7 Tage. Das ist eine Erhöhung um mehr als 35 Prozent.
Doch woran ist erkennbar, dass ein Burnout-Syndrom vorliegt?
Was kann präventiv getan werden?
Dieser Text beschäftigt sich mit diesen Fragen und soll Anregungen und Ideen vermitteln. Diese können je nach Bedarf und Einzelfall angepasst und erweitert werden.
Was ist Burn-out?
In den Klassifikationssystemen, die in der Psychotherapie genutzt werden (ICD), wurde das Burnout-Syndrom bisher im ICD-10 als „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ eingeordnet, wobei es daneben kaum konkrete Beschreibungen gab. In der Neufassung, dem ICD-11, kann über die Seite der WHO eine etwas genauere Definition gefunden werden. Teilweise habe ich bereits in der Einführung Punkte angebracht.
Burnout resultiert aus chronischem Arbeitsstress, der nicht erfolgreich bewältigt werden konnte.
Es besitzt drei Dimensionen:
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Gefühl fehlender Energie (energy deprivation) oder Erschöpfung
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Erhöhte mentale Distanz zur Arbeit, Gefühle von arbeitsbezogenem Negativismus oder Zynismus
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Reduzierte professionelle Wirksamkeit (bzw. Effektivität)
Der Begriff bezieht sich auf den beruflichen Kontext und sollte nicht in anderen Kontexten verwendet werden.
Auch wenn diese Beschreibung bereits konkreter ist, als die der vorherigen Version des ICD, können die individuellen Symptome ganz vielfältig und unterschiedlich sein. Eine genaue Liste von Beschwerden, die über einen bestimmten Zeitraum vorhanden sein müssen, gibt es (anders als bei anderen Erkrankungen wie z.B. Depressionen) nicht.
Es ist oftmals für Betroffene kaum greifbar, ob sie sich aktuell nur in einem kleinen Tief befinden, oder bereits in einem Burnout. Das liegt zum einen an der weiterhin recht vagen Definition und zum anderen an dem Verlauf der Symptomatik.
Ein Burnout-Syndrom entwickelt sich schleichend. Ähnlich wie bei dem Frosch, der nicht merkt, dass die Wassertemperatur Stück für Stück erhöht wird bis das Wasser kocht, fällt es Betroffenen oft schwer, ohne Abstand zu bemerken, dass sich das Syndrom bei ihnen entwickelt.
Auch beginnt die Entwicklung eines Burnout-Syndroms durchaus mit einer Phase, die oftmals als sehr energetisch erlebt wird. Es wird ein hohes Engagement für den Beruf gezeigt. Dieses mag auf der Relevanz der Arbeit, persönlichen Prinzipien, dem Gefühl der Unverzichtbarkeit, dem „Brennen“ für den Beruf oder vielem mehr gründen. Für die berufliche Sache werden eigene Bedürfnisse zurückgestellt,
Frühwarnsignale des Körpers „ACHTUNG, ACHTUNG, wir sind nah am Limit“ überhört und eigene Grenzen durch einen selbst eingerissen. So entwickelt sich durch das überhöhte Engagement bei zeitgleicher Vernachlässigung eigener Bedürfnisse eine erhöhte Müdigkeit.
Versuche, die Müdigkeit und aufkommende Erschöpfung durch Entspannungseinheiten zu kompensieren, werden von Zeit zu Zeit schwieriger. Ein Wellnessaufenthalt, die Yogaeinheit, der Spaziergang, selbst der Urlaub reichen nicht mehr aus, um dem Energie-Defizit entgegenzuwirken. Das ist bereits ein wichtiges Signal!
Anstrengend kann es zudem besonders dadurch werden, dass eine chronische Müdigkeit empfunden wird, jedoch zeitgleich ein erhöhter Tatendrang und eine erhöhte Unruhe bestehen.
Oftmals fällt es auch an diesem Punkt schwer einzulenken und anzuerkennen, dass etwas getan werden muss, um die Gesundheit zu erhalten. Mögliche Gründe können die Stigmatisierung von Burnouts sein („Wenn ich ein Burnout bekomme, dann bedeutet das, dass ich meine Arbeit nicht im Griff habe - schwach bin.“), ungesunde Definition von Arbeit („Arbeit bedeutet auch über längere Zeit auf Grundbedürfnisse zu verzichten, komme was wolle.“), das Gefühl der Unverzichtbarkeit („Ich muss weiterarbeiten, denn sonst kann/macht es keine*r“). Durch das Leugnen der eigenen Belastung ist es oftmals auch für das Umfeld herausfordernd, die betroffene Person auf den Zustand hinzuweisen oder zu unterstützen.
Im fortgeschrittenen Zustand zeigen sich oftmals neben einer erhöhten Aggressivität und Reizbarkeit auch im Zuge der totalen Erschöpfung Symptome, die einer Depression gleichen, wie beispielsweise Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Schwierigkeiten in der Entscheidungsfindung. Auch Angstzustände sind möglich.
Da ein Burnout-Syndrom durch Stress bedingt wird, sind auch gleiche Folgeerscheinungen wie bei der Konfrontation mit chronischen Stressoren außerhalb des beruflichen Feldes möglich (-> Mehr Infos im Artikel „Was bedeutet Stress und wie macht er sich bemerkbar?“). Dazu gehören eine schlechtere Immunabwehr und somit erhöhte Affektanfälligkeit, Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstörungen, verspannte Muskulatur, sexuelle Funktionsstörung, chronischer Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Diese Beschwerden können zu langfristigen Arbeitsausfällen, chronischen Erkrankungen, Fehlern im Arbeitsablauf, gesteigerten Konflikten im Arbeitskontext und Verschleiß von Ressourcen der Individuen sowie der Unternehmen führen.
Die Daten der AOK von 2019 geben wieder, dass vor allem Personen aus sozialen Berufen im Dialogmarketing, sowie Sozialarbeiter:innen, Sozialpädagog:innen, Haus-, Alten- und Familiepfleger:innen mehr als doppelt so häufig ein Burnout-Syndrom diagnostiziert bekommen haben, als AOK-Mitglieder aus anderen Berufsfeldern. Lloyed und Kollegen haben 2002 im journal of mental health in ihrem Review “ social work, stress and burnout. A review” auf Studiengrundlage als Ursache für die Anfälligkeit für Burnout-Erkrankungen in sozialen Berufen eine erhöhte Verantwortung und die ständige Anforderung, Problemlösungen für komplexe Sachverhalte zu generieren, aufgeführt.
Diese Aspekte sind auch für viele Berufe und Tätigkeiten im Impact Sektor Bestandteil der Arbeitsaufgaben, sodass diese Berufe ebenfalls ähnliche Belastungen wie die klassischen sozialen Berufe besitzen. Deshalb sollte auch im Impact Sektor eine Sensibilität für das Thema mentale Gesundheit, sowie berufsbedingter Stress und dessen Folgen, bestehen.
Bei den Daten der Krankenkassen, sowie der verschiedensten Studien zum Thema Burnout-Syndrom, kann insgesamt nicht von einer gleichen Definition oder den gleichen vorhandenen Symptomen ausgegangen werden. Dennoch können sie als richtungsgebend und als Orientierung gesehen werden.
Fragen zur Selbstreflexion
- Kann ich berufsbedingte Anspannung durch regelmäßige Entspannung ausgleichen?
- Gibt es Aspekte in meiner Arbeitswelt, die mich belasten? Falls ja, welche?
- Ist das Ausmaß der eigenen Belastung oder Belastung des Teams ansprechbar?
- Wie wird auf offen kommunizierte Überlastung reagiert?
- Gibt es ein Umfeld oder einen Termin, der Raum schafft, offen über die eigene Belastung und Belastbarkeit zu sprechen?
- Welche Personen sind Vorbilder in der Wahrung der eigenen Grenzen und Einhaltung der eigenen Bedürfnisse bei zeitgleicher beruflicher Aktivität?
- Wie werden Personen behandelt (Gedanken, Wahrnehmungen, Verhaltensweisen), die aufgrund eines Burnout-Syndroms ausgefallen sind?
- Was würde es mir persönlich oder in meinem Team erleichtern, Belastungen und Überlastungen transparent zu machen?
- Was würde es mir persönlich oder in meinem Team erleichtern, Bedürfnisse zu kommunizieren und zu wahren?
- Welche Arbeitshaltung ist bei besonders hohem Arbeitsaufkommen vorhanden?
- Wer außer mir kann meine Aufgaben erfüllen, falls ich mich zurücknehme?
- Welche Aufgaben und Anfragen können bei erhöhter Belastung zur Seite gelegt werden?
- Sollte alles wichtig und nichts delegierbar sein, was ist notwendig, um Delegation und Reduktion der Prioritäten zu erlauben?
- Welche Persönlichkeitsaspekte im Team begünstigen ein Überengagement?
- Welche Persönlichkeitsaspekte im Team fördern eine gesunde Arbeitshaltung?
- Welche Strukturen der Arbeit begünstigen ein Überengagement?
- Welche Strukturen der Arbeit begünstigen eine gesunde Arbeitshaltung?
- Welche Haltung zur Arbeit begünstigt ein Überengagement?
- Was bin ich/sind wir bereit zu investieren (inklusive mich und uns davon zu lösen), um die langfristige Gesundheit zu begünstigen?
- Welche Unterstützungsmaßnahmen gibt es im beruflichen Kontext zur Prävention von psychischen Belastungen? Sind diese für alle zugänglich? Falls nicht, was ist nötig, um sie für alle zugänglich zu machen?
- Wenn ich kurz vor meinem Tod auf mein Leben zurückschaue, was für ein Leben möchte ich (beruflich/privat) gelebt haben?
- Wenn andere Personen auf das Unternehmen oder Team blicken, wie soll das Unternehmen oder Team wahrgenommen werden (v.a. im Bezug auf Burnout)?
- Welche frühen Signale für Stress sind mit Blick auf die Vergangenheit für mich, das Team, das Unternehmen typisch?
- Wie möchtest ich oder möchten wir beim nächsten Mal die Frühwarnsignale leichter wahrnehmbar machen und auf sie reagieren?
Entdecken und Experimentieren
Hier werden nun einige Anregungen zum Umgang mit einem Burnout-Syndrom vorgestellt. Probiere diejenigen für Dich aus, die Dir zusagen. Fühle Dich frei, sie an Dich und Deine Situation anzupassen, sowie die Übungen, die Dir gar nicht zusagen, zu übersehen.
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Abklärung
Wie bei allen Belastungen und Erkrankungen ist es hilfreich einmal abzuklären, was es denn wirklich ist. Beim Burnout-Syndrom besteht eine besondere Relevanz, da es aufgrund der vielfältigen Symptome dazu kommen kann, dass eine vermeintliche Anpassungsstörung, eine Depression, Eisenmangel oder Schilddrüsenerkrankung zu den Symptomen führen. Je nachdem, worum es sich handelt, wäre auch die Behandlung eine andere. Um Frustration vorzubeugen und einen Behandlungserfolg zu fördern, ist eine Abklärung dementsprechend hilfreich.
Neben den Abklärungen durch somatisch und psychotherapeutisch geschulte Fachkräfte, ist es auch hilfreich, für sich selbst zu untersuchen, ob die vorhandenen Belastungen rein beruflich sind oder nicht. Auch kann es hilfreich sein, sich zu fragen, ob ein Burnout-Syndrom angenehmer empfunden wird als eine andere Belastung oder Erkrankung. In Folge möglicher Stigmatisierung erleben einige Menschen es als angenehmer, ein Burnout-Syndrom zu haben als eine Depression. Denn das Burnout-Syndrom kann unterschwellig mitteilen: „Mir geht es nur so schlecht, weil ich beruflich besonders engagiert bin.“ Daher kann es dazu kommen, dass aufgrund vor Sorge um Stigmatisierung eine falsche Behandlungsgrundlage erstellt wird und dadurch der Behandlungserfolg beeinflusst wird. Sich mit Vertrauenspersonen und Fachpersonal des Vertrauens auszutauschen, kann dabei hilfreich sein.
Auf organisatorischer Ebene können Fragebögen, Zeiten der Überstunden und Krankheitszahlen hilfreich sein, um einen Eindruck zu erhalten über das vorhandene Risiko für Burnout-Syndrome. Dabei bleibt zu berücksichtigen, ob die Angaben mit anderen Boni oder Ähnlichem verbunden sind. Wenn ich als Arbeiter:in beispielsweise mehr Urlaubstage im Jahr erhalte, wenn ich keine Krankheitstage hatte oder es als angemessen und erwünscht gilt, auch krank zu arbeiten, kann es gern dazu kommen, dass die Angabe der Krankheitstage verzerrt ist.
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DiGA- Digitale Gesundheitsanwendungen
Digitale Gesundheitsanwendungen, Medizinprodukte und Behandlungsangebote, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft wurden. Sie bieten die Möglichkeit für gesetzlich versicherte Personen auf Rezept eine digitalisierte Behandlung bei diversen Erkrankungen und Belastungen, z.B. Burnout-Syndrom, zu erhalten. Dabei gibt es nachweislich eine Wirksamkeit der Produkte und sie können vom Individuum genutzt werden. Vorteil ist neben der Verfügbarkeit und der Kostenübernahme durch die Krankenkasse auch die ort- und zeitunabhängige Verfügbarkeit der Angebote.
Ein Beispiel für ein solches Angebot für die Burnout-Symptomatik ist das Programm „HelloBetter“. Es ist ausgelegt für Personen, die „Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung haben” (Z73), durch Burnout-Syndrom belastet sind, psychische Belastungen haben oder einen hohen Grad der Stressbelastung. Basis des Programms sind Methoden und Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie.
Da das Burnout-Syndrom nicht als vollwertige Diagnose angesehen wird, ist das Programm „HelloBetter“ im Verzeichnis der DiGA der BfArM unter „Sonstiges“ zu finden. Das Programm dauert insgesamt zwölf Wochen.
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Beruflich (-organisatorische) und individuelle Ansprüche anpassen
Bei der Beschreibung des Burnout-Syndroms wird der Begriff des erhöhten beruflichen Engagements oder Überengagements gern genutzt, um eine der Ursachen zu beschreiben. Dieses Engagement gründet sich in Ansprüchen und Erwartungen an die eigene Person oder von außen. Was ist das Wichtigste im Leben und in der Arbeit? Wenn eine Prioritätenliste erstellt werden würde, welche Reihenfolge würden Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Umsatz, Gesundheit, Freizeit, soziales Miteinander, Puffer … erhalten? Bei den Fragen ergibt es durchaus Sinn neben der theoretischen Betrachtung den realen Zustand zu untersuchen. Oft genug unterscheiden diese sich voneinander.
Auf individueller Ebene kann das erhöhte Engagement bewusst beleuchtet werden, um die zugehörigen Bedürfnisse und auch biografischen Verbindungen aufzudecken. Wie nehme ich mich selbst wahr, wenn ich bis zum Limit und darüber hinaus gearbeitet habe? Und welches Bedürfnis wird dadurch befriedigt? Gibt es andere Wege, dieses Bedürfnis zu befriedigen und andere Möglichkeiten, mich so wahrzunehmen? Auch sich die Frage zu stellen, was verloren gehen würde oder wovor eine Angst besteht, wenn eine andere Arbeitsweise, die eigene Grenzen berücksichtigt, gelebt werden würde, ist wertvoll. Denn manche Verhaltensweisen sind stark motiviert aus einer Vermeidung befürchteter Negativkonsequenzen.
Auf organisatorischer Ebene gilt ähnliches. Welches Verständnis von angemessener Arbeit herrscht hier? Welche Verhaltensweisen werden als erwünscht, welche als unerwünscht gesehen und gelebt? Wie viele Ausnahmen werden als angemessen angesehen? Mit der letzten Frage beziehe ich mich vor allem auf jene Situationen in Unternehmen, in denen aufgrund einer aktuellen wirtschaftlichen Situation oder eines Mitarbeiter:innenstands Mehrarbeit einzelner Person als notwendig angesehen und besonders gelobt wird. Wenn diese Phasen jedoch kontinuierlich stattfinden und schleichend zum Normalzustand werden, wird nur nach außen von Ausnahmen gesprochen, die Mitarbeitenden stellen sich auf ein baldiges Ende der Phase ein und können aufgrund dessen nicht angemessen mit ihrer Energie haushalten. Vergleichbar ist dieser Ansatz mit Rennen. Es macht einen Unterschied, ob ich mich auf einen Sprint vorbereite, oder auf einen Ausdauerlauf. Eine angemessene Transparenz ist dementsprechend von organisatorischer Seite sinnvoll.
Auch auf organisatorischer Seite stellt sich die Frage, wie Personen behandelt werden, die offenkundig vom Burnout betroffen sind. Denn dieses Erleben kommuniziert allen anderen, was sie erwarten mag, wenn es sie selbst treffen würde. Erhalten Betroffene Unterstützung und Zuwendung oder werden sie „abgeschoben“, stigmatisiert oder übergangen? Auch für die Führungskräfte stellte sich die Frage, wie sie selbst mit erhöhten Arbeitsaufkommen umgehen und welche Ansprüche (s. individuelle Ebene) sie an sich selbst haben und welche sie dementsprechend vorleben. Mit Hilfe von regelmäßigen Coachings und externen Begutachter:innen können die Ansprüche und Erwartungen des Unternehmens gemeinsam untersucht und angepasst werden. Ausgangspunkt dafür ist, dass es durch die externe Instanz zu keinem Wechsel in der Arbeitsgestaltung kommt während der Zeit der Analyse.
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Arbeitsstrukturen verändern
Es gibt zahlreiche Berufe und Arbeitsstellen, bei denen der Arbeitsumfang weit über das geht, was eine einzelne Person leisten kann, ohne in Überarbeit zu gehen und eigene Grenzen tagtäglich einzureißen. Weiteres Personal einzustellen und Arbeitsaufgaben auf realistische Dimensionen zu reduzieren, kann hilfreich sein. Auch die Überprüfung der real vorhandenen Ressourcen und Kapazitäten sowie die Anpassung in Arbeitsstrukturen sind sinnvoll. Müssen beispielsweise die Teammeetings die aktuelle Länge besitzen oder sind sie zu lang und rauben Beteiligten Zeit, die sie für andere Aufgaben benötigen würden? Oder sind sie essentiell fürs Teambuildings und eine Reduktion der Zeit hätte negative Konsequenzen für die gemeinsame Arbeitskultur?
An welchen Stellen bestehende Bausteine reduziert und andere aufgebaut werden sollten, hängt unter anderem vom Unternehmen, den Mitarbeitenden und den Zielen ab.
Daher kann pauschal keine Schnelllösung erfolgen. Eine Analyse der Strukturen kann hier behilflich sein.
Der Fragebogen AVEM (Arbeitsbezogenes Verhalten- und Erlebensmuster) kann für die Analyse der Personalentwicklung und Arbeitsgestaltung angewendet werden. Auch wenn der Fragebogen nicht eigens zur Aufdeckung von Burnout-Syndromen erstellt wurde, ermöglicht er Aussagen über gesundheitsförderliche und -gefährdende Verhaltens- und Erlebensweisen. Risikofaktoren, die mit Burnout in Verbindung stehen, sowie Hinweise auf präventive Maßnahmen können mit Hilfe des AVEM betrachtet werden. Auch ist es ein mögliches Instrument zur Verlaufskontrolle.
Natürlich besteht auch eine Person, ein Team und ein Unternehmen nicht für sich, sondern innerhalb eines gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Netzes. Deshalb haben Strukturen auf der Makroebene einen Einfluss auf die Strukturen der Arbeit und die verfügbaren Möglichkeiten. Sich immer wieder zu fragen, welche Strukturen aufgebrochen und verändert werden können, wo Neues ausprobiert werden kann, sowie Räume gesunder Arbeitsstruktur entstehen können (auch, wenn die übergeordnete Struktur noch veraltet und schädlich sein mag), kann Personen, Teams und Unternehmen darin unterstützen, Veränderung anzuregen. Denn zu oft werden alte Strukturen fast als „gottgegeben“ wahrgenommen und zu wenig hinterfragt oder überarbeitet.
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Stressreduktion
Ausgangspunkt ist der arbeitsbezogene Stress. Demnach liegt es nahe, dass zur symptomatischen Behandlung eines Burnout-Syndroms eine Reduktion der Stressoren als hilfreich angesehen wird. Zunächst gilt es die Stressoren zu entdecken und diese dann zu reduzieren. In vielen Fällen kann eine Unterbrechung der Arbeit hilfreich sein, um zunächst ausreichend Distanz aufbauen zu können, zu regenerieren und andere Lebensbereiche wieder bewusster wahrzunehmen.
Zudem bedeutet die Reduktion von beruflichen Stressoren nicht nur, dass Dinge, die eine Stressreaktion im beruflichen Alltag auslösen eliminiert oder reduziert werden, sondern auch, dass auf individueller und kollektiver Ebene Fähigkeiten zum gesundheitsförderlichen Umgang mit den Stressoren aufgebaut werden (z.B. neue Konfliktkultur, Fehlerkultur, Grenzen setzen, wertschätzende Kommunikation …). Es gibt im Bereich der Stressbewältigung diverse Programme, welche bei Bedarf auch im Bereich des Burnout-Syndroms Anwendung finden können.
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Gezielte Auszeiten
Regelmäßige Auszeiten und Pausen erlauben es, den aktuellen Ist-Zustand wahrzunehmen. Der Belastungsgrad, sowie die vorhandenen Kapazitäten können durch eine Auszeit besser wahrgenommen werden. Das gilt für Einzelpersonen, sowie Teams und Organisationen. Dabei ist es sinnvoll diese Auszeiten für sich als Einzelperson in den Alltag zu integrieren, im Team Auszeiten in regelmäßige Meetings einzuführen und als Organisation gezielt Termine zu planen, um unabhängig von Gewinnrechnungen die Stellung der Waage zwischen Belastung und vorhandenen Kapazitäten der Arbeitenden und Arbeitsbereiche zu betrachten.
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Entspannungstraining
Vor allem in der Anfangszeit und als präventive Maßnahme können Entspannungstrainings hilfreich sein, um ein Bewusstsein für Entspanntheit zu erhalten sowie vorhandene Anspannungen zu lösen.
In der therapeutischen Praxis werden vor allem gern progressive Muskelentspannung (PMR) und autogenes Training (AT) trainiert, da diese Entspannungsformen wissenschaftlich fundiert entspannungsfördernd sind. Sie haben auch den Vorteil, dass sie regelmäßig trainiert und auch in Kurzformen für Alltagsmomente eingesetzt werden können.
Aber Entspannung kann vielfältig und auch von Typ zu Typ unterschiedlich aussehen. Während einige Personen sich bei Meditationen sehr entspannen, erhöhen diese für andere die innere Anspannung. Neben Methoden wie Meditation, Yoga und QiGong gibt es zahlreiche andere Formen zu entspannen, wie beispielsweise aktive Sportarten, Tanzen, Massagen und vieles mehr.
Wichtig ist an dieser Stelle mitzuteilen, dass ein alleiniges Einführen von Entspannungseinheiten auf der Arbeit nicht ausreichend ist, um präventiv oder akut einen Umgang mit einem Burnout-Syndrom zu finden. Vor allem nicht, wenn die gesundheitsschädlichen Strukturen weiterhin bestehen.
Inner Work for a Healthy Workspace
In diesem Format bekommst Du einen grundlegenden Hintergrund zu psychologischen Phänomenen und hast die Möglichkeit mit Hilfe von Fragen und Übungen Dich selbst kennenzulernen und auszuprobieren. Dabei können die Fragen Dir behilflich sein, ganz eigene, neue Antworten zu finden. Du kannst die Fragen auch gern anderen Personen stellen, um deren Antworten mit Deinem Selbst-Verständnis zu vergleichen. Die Übungen sind Anregungen, um etwas Neues auszuprobieren. Sehe sie eher wie ein Experiment oder eine Entdeckungsreise als eine Akutlösung oder DAS Rezept. Denn das eine Rezept gibt es bei so viel Vielfältigkeit sowie so nicht.
Einige Themen können Dich dabei mehr, andere weniger ansprechen. Schau für Dich immer wieder, was zu dem Moment, zu Dir und Deinen Ressourcen passt und traue Dich, Dinge einmal anders zu machen.
Soraida Velazquez Reve ist eine psychologische Psychotherapeutin mit verhaltenstherapeutischer Ausrichtung, systemischer Coach und hat viele Jahre im Bereich Tanz und Fitness gearbeitet. Sie arbeitet mir Einzelpersonen und Gruppen im Bereich der Prävention, Akutbehandlung, Nachsorge, sowie Arbeitsgesundheit.
Sie liebt eine interdisziplinäre und ganzheitliche Perspektive und Arbeitsweise. Wissen und eigene Entwicklung erfahrbar zu machen liegt ihr sehr am Herzen, sodass sie in ihrer Arbeit gern aktive Übungen zum eigenständigen Entdecken und Erleben integriert. Diesen Ansatz lebt sie in ihren Therapien, Coachings, Programmen und Gruppensessions.
Innere Arbeit ist berührend, herausfordernd und benötigt Ressourcen wie Energie und Zeit. Sie darf jedoch auch die innere Entdeckungsfreude aktivieren, Spaß machen und beleben.