Was hält eine TEAL-Organisation und all ihre selbst-organisierten Mitarbeiter*innen zusammen?

Mit diesem Superkleber kommst du vom unternehmerischen Ich zum Wir!

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by Andreas Kraus, Kathrin Kastel and Alexandra Wudel, April 5, 2023
Der evolutionäre Sinn Der ultimative Kleber, um vom unternehmerischen Ich zum Wir zu gelangen

Heute präsentieren wir euch den letzten Artikel unserer sechs-teiligen Serie zum Thema TEAL-Organisationen. Nicht zuletzt, weil dieser Aspekt als allumfassend und raumgebend einzuordnen ist, runden wir mit diesem sechsten Artikel unsere Exkursion in die praktische Umsetzung des Konzeptes von Frederic Laloux ab.

Wir wollen klären: was hält eine TEAL-Organisation und all ihre selbst-organisierten Mitarbeiter:innen zusammen?

Was ist der Kleber, der die einzelnen Teile zu einem stabilen Ganzen zusammenfügt? 

In klassischen Organisationen gibt es häufig eine (1) Mission, eine (2) Vision und eine (3) entsprechende Zielvereinbarungen zwischen Mitarbeiter:innen und ihren Vorgesetzen. Die ersten beiden Punkte repräsentieren die Meinung des Managements. Der letzte Punkt sichert die Konformität des Handelns der Mitarbeiter:innen hinsichtlich der Vision und der Mission.

Die getroffenen Vereinbarungen sollen nicht nur die eigene Position im Machtgefüge sichern, sondern auch das Bestehen des Unternehmens im Konkurrenzkampf mit den Wettbewerber:innen  sichern.

Und in TEAL-Organisationen? Dort werden diese Konstrukte durch den evolutionären Sinn einer Organisation abgelöst. Dieser fokussiert sich auf kollektive und langfristige Ziele im Sinne der Allgemeinheit und ist losgelöst vom Wettbewerbsgefüge zu sehen. Statt sich also darauf zu konzentrieren, wie sich Wettbewerber:innen ausstechen lassen („Vorsprung durch Technik“, Audi || Unternehmen strebt danach, der führende Anbieter im Bereich x zu sein), konzentrieren sich TEAL-Organisationen auf ihren Zweck in der Gemeinschaft („Unternehmen nutzen, um Lösungen für die Umweltkrise anzuregen und umzusetzen“, Patagonia).  

Der Evolutionäre Sinn orientiert sich nach innen, nicht am Wettbewerb

Dadurch bindet sich ein Unternehmen nicht an ein bestimmtes Produkt und versucht auch nicht, sich auf Kosten anderer Marktteilnehmer:innen einen Vorteil zu verschaffen. Konzepte wie Wettbewerb, Wachstum und Gewinn werden anders verstanden und gewichtet. Gehen wir zurück zu unserer langfristigen und kollektiven Zielsetzung im Sinne der Allgemeinheit. Selbstverständlich gibt es ein unternehmerisches Interesse, weiterhin zu bestehen. Der Unterschied ist: Indem die Mitarbeiter:innen einem inhärenten Sinn folgen, wird sich das Unternehmen kontinuierlich an die sich verändernden Bedingungen anpassen.  

Schauen wir uns ein fiktives Beispiel an: Die Firma Ölius stellt Hanföl her. Ihr evolutionärer Sinn ist die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft. Einem engagierten, vegetarischen Mitarbeiter fällt in der Produktion auf, dass die Restprodukte nach der Ölgewinnung entsorgt werden. Dabei kauft er sehr gerne Fleischersatzprodukte auf Hanfbasis. Er beginnt gemeinsam mit den Expert:innen im Labor zu experimentieren. Nach einigen Versuchen bringt er ein Produkt auf den Markt, in welchem die vorherigen Abfallprodukte wiederverwendet werden: Ein weiterer Schritt hin zur Kreislaufwirtschaft ist erfolgreich geschafft. Kurzfristig geht dies mit einer Gewinnreduzierung durch hohe Initialkosten für Forschung und Produktionsaufbau einher. Langfristig trägt diese Entscheidung dazu bei, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben und den evolutionären Sinn des Unternehmens zu realisieren.

Zur Frustration einer beteiligten Lebensmittelchemikerin können jedoch noch immer nicht alle Reste wiederverwendet werden. Als sie sich abends mit ihrem Freund aus dem Modedesign-Bereich darüber unterhält erfährt sie, dass es Lederalternativen auf Hanfbasis gibt.

Nach eingehender Beratung mit den Finanzexpert:innen entscheidet sie sich dafür, nicht selbst in die Lederproduktion einzusteigen. Stattdessen sucht sie eine Kooperation mit einem Unternehmen, welches sich auf vegane Alternativen spezialisiert hat. Gemeinsam realisieren sie eine Gürtelproduktion, in welcher die Abfallprodukte aus der Lebensmittelherstellung genutzt werden können.  

Der evolutionäre Sinn von Ölius hat den Weg zur Produktdiversifizierung geebnet. Hätte Ölius sich die Mission gegeben, das beste Hanföl zu produzieren, wäre der Handlungsspielraum der Miterarbeiter:innen geringer gewesen. So hat Ölius, unser fiktives Beispiel, mehrere Hürden auf einmal genommen. Durch eine Produktentwicklung wurde das Sortiment erweitert und neue Umsatzmöglichkeiten geschaffen, die Einnahmequellen diversifiziert und „Foodwaste“ reduziert. Wachstum passiert dadurch nachhaltig und natürlich, ist aber nicht das alleinige Ziel der Organisation. Ebenso wenig wie Gewinn oder Gewinnmaximierung. Dies ist ein Nebenprodukt. Die Verwirklichung des evolutionären Sinnes ist der primäre Motivator des Unternehmens. 

Das große Ganze beginnt beim evolutionären Sinn

Aus evolutionärer Sicht entspricht das Konzept der Teal-Organisationen der Vorstellung, dass die Evolution ein fortlaufender Prozess des Wachstums und der Entwicklung ist. So wie sich lebende Organismen im Laufe der Zeit weiterentwickeln, um sich an ein sich veränderndes Umfeld anzupassen, müssen sich auch Organisationen weiterentwickeln, um relevant und effektiv zu bleiben.

Auch durch diesen Aspekt wird sichtbar, wie die anderen Komponenten sich nun zu einem großen Ganzen finden und zusammenfügen lassen. Obwohl uns die Reihenfolge der einzelnen Artikel schwergefallen ist, waren wir uns sicher, dass sich am Ende ein konsistentes Bild von TEAL zeichnen lässt: bestehend aus der Eigenverantwortung, dem kollektiven Wissen und dem evolutionären Sinn.

Im Kern steht die Idee die unternehmerische Verantwortung auf viele Schultern zu verteilen. Die Mitarbeiter:innen können frei Ideen entwickeln und diese umsetzen, sofern sie zum evolutionären Sinn beitragen. Dieser leitet alle Entscheidungen und Handlungen ab.

TEAL-Organisationen machen sich diese Idee der Evolution zu eigen, indem sie einen flexiblen und anpassungsfähigen Ansatz für ihre Tätigkeiten wählen. Sie legen Wert auf Experimente, Lernen und kontinuierliche Verbesserung und stellen die Entwicklung ihrer Mitarbeiter in den Vordergrund, um ihre Ziele zu erreichen.

 

In dieser Kolumne, die gemeinsam mit enableYou entstanden ist, schreiben wir über die zahlreichen Facetten des TEAL-Konzepts, welches von Frederic Laloux geprägt und in seinem Buch „Reinventing Organisations“ ausführlich vorgestellt wird. Dabei erzählen wir in unserer Kolumne von unseren Erfahrungen und best-practices, zeigen auf, warum es neue Paradigmen im Management braucht und erörtern, wieso TEAL unserer Meinung nach eine Lösung für momentane Herausforderungen sein kann. In den kommenden sechs Beiträgen teilen wir unsere praktischen Erfahrungen über das selbstorganisierte Arbeiten und geben einen tieferen Einblick in den evolutionären Sinn von TEAL-Organisationen und die Verbindung zum Feminismus. Durch die neuen Perspektiven wollen wir dazu einladen und inspirieren, traditionelle Organisationsstrukturen zu überdenken und Mut geben, neue Konzepte, wie TEAL, auszuprobieren.

enableYou

Unsere Kolumnisten sind Andreas Kraus, Kathrin Kastel und Alexandra Wudel. Andreas hat enableYou 2020 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, menschenzentrierte Management-Paradigmen, wie Teal, in die (Arbeits)Welt zu tragen. Alexandra arbeitet als Agile Coach in der Politik. Außerdem arbeitet sie seit vielen Jahren als kritische Stimme im Bereich Wirtschaft und Technologie. Kathrin arbeitet als IT-Business Analyst mit einer Leidenschaft für Menschen und New Work in KMUs.