In diesem Artikel zeigen wir euch wie Konflikte in selbstorganisierten Unternehmen ohne Hierarchien gelöst werden. In Teal-Organisationen liegt ein bestimmtes Menschenbild zu Grunde: ein Glaubenssatz, dass Menschen im Grunde gut sind und im besten Interesse aller agieren. Deshalb ist die Grundlage für ein gemeinsames erfolgreiches Arbeiten nicht Kontrolle, sondern Kommunikation, Transparenz und Offenheit. Dabei geht es auch darum, die Verantwortung für unsere Gedanken, Überzeugungen, Worte und unser Handeln zu übernehmen.
Trotzdem ist es wichtig, durch eine entsprechende Unterstützung jede:n dazu zu befähigen, das Gespräch im Konfliktfall mit der betroffenen Person selbst zu suchen, oder Mediator:innen und Ombudspersonen einzubeziehen. Es braucht einen Konfliktmanagementprozess.
Konflitkmanagementprozess in hierarchischen Unternehmen
Storytime: Die beiden Hauptabteilungsleiter:innen Verena und Michael können sich nicht einigen, wie die Zusammenarbeit zwischen ihren beiden Unternehmensbereichen Einkauf und Sales zukünftig gestaltet werden soll. Ausschlaggebend ist ein Kundenprojekt, welches aus dem Ruder zu laufen droht, wobei keine:r der beiden die von der anderen Person vorgeschlagenen Anpassungen im Arbeitsablauf umsetzen möchte. Beide beschweren sich bei der nächsthöheren hierarchischen Instanz, dem Geschäftsführer Thomas, über die Inkompetenz des jeweils anderen und versuchen, sich selbst möglich gut dastehen zu lassen. Dieser gibt das Problem an seine Referentin Julia ab, welche das Problem für ihn lösen soll und welche nun zwischen beiden Stühlen steht. Julia nimmt das Thema mit in den Feierabend und grübelt den ganzen Abend über eine mögliche Lösung nach, die beide Seiten zufriedenstellt. Leider nehmen sich Verena und Michael keine Zeit für einen gemeinsamen Termin, sodass Verena als Übermittlerin schlechter Nachrichten in der Mitte steht und von beiden Seiten mit Emails überhäuft wird. Verena und Michael haben ihre Last bei ihr abgeladen und überlassen ihr auch die Kommunikation der schlechten Nachrichten an ihren Vorgesetzten Thomas.
Verena und Michael stehen exemplarisch für Mitarbeitende eines hierarchischen Unternehmens, welche im Laufe der Jahre gelernt haben, Konflikte von Führungskräften ansprechen und lösen zu lassen, statt im Dialog die Missverständnisse und Fehler aufzuarbeiten und daraus zu lernen. Anstatt sich gemeinsam hinzusetzen und eine Lösung im besten Sinne des Unternehmens zu finden, wird versucht, sich selbst bestmöglich dastehen zu lassen, wenn das Problem der nächsthöheren Instanz vorgestellt wird. Die weitere Zusammenarbeit wird sich vermutlich auch zukünftig nicht verbessern, denn lediglich das Symptom, nicht die Ursache, wurde adressiert. Verena und Michael, Einkauf und Sales, arbeiten weiterhin nicht im Einklang miteinander und profitieren nicht vom Können und Wissen der anderen Abteilung.
Konflitkmanagementprozess in Teal-Organisationen
Wie genau kann nun ein Gegenentwurf aussehen? Der Konfliktmanagementprozess bei enableYou setzt früher an. Neben unseren Grundannahmen in Teal haben wir Regeln und Annahmen, die unserem Konfliktmanagementprozess zugrunde liegen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir nicht schlecht hinter dem Rücken von anderen über diese reden. Gerüchte haben in Teal-Organisationen keinen Platz. Vielmehr geht es darum, das Gespräch unter vier Augen mit der betroffenen Person zu suchen. Auch wenn wir andere Menschen nicht mit hineinziehen wollen, gelingt der Austausch zu zweit manchmal nicht: und dafür braucht es klare Regeln und Prozesse.
Die Essenz des Konflitkmanagementprozessen liegt darin, dass die Verantwortung für die Konfliktlösung, unabhängig vom Einbezug der Mediator:innen und Obudpersonen, stets bei den Betroffenen liegt.
In unserer Geschichte könnte Julia diese Rolle übernehmen, da sie bereits über alle notwendigen Informationen verfügt und zwischen beiden Parteien vermitteln kann. Leider stehen sich Verena und Michael noch immer unversöhnlich gegenüber, weswegen eine weitere Vertrauensperson hinzugezogen wird. Verena und Michal können sich jedoch noch immer auf keinen neuen Arbeitsmodus einigen. Daher beschließt die Ombudsperson nun, eine weitere Rolle hinzuziehen. Bei enableYou wären es die (Co-)Founder:innen, bei unserer Geschichte der Gründer und Geschäftsführer der Firma, Thomas. Diese Rolle kommt den Gründer:innen nicht aufgrund ihrer Position zu, sondern durch die Annahme, dass sie den Geist der Teal-Organisation gefestigt in sich tragen.
Konflikte sind Wachstumsmöglichkeiten
Natürlich läuft dies nicht reibungslos ab und wir brauchen alle Übung und Training in Kommunikationstechniken. Es ist nicht immer leicht, die Konfrontation zu suchen, seine Gedanken und Empfindungen offenzulegen und sich verletzlich zu zeigen - sich im Berufsfeld gar angreifbar zu machen. Wir lernen alle dazu und haben uns entschieden, unsere Kommunikationsfähigkeiten innerhalb und außerhalb der Firma zu verbessern.
Vielleicht motiviert dich dieser Artikel, das Gespräch mit einer Person zu führen, welches du schon lange vor dir herschiebst. Du wirst dazu lernen und dir wird eine Last von den Schultern fallen: versprochen.
Viel Erfolg dabei und falls du noch etwas Mut brauchst, melde dich bei uns.
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In dieser Kolumne, die gemeinsam mit enableYou entstanden ist, schreiben wir über die zahlreichen Facetten des TEAL-Konzepts, welches von Frederic Laloux geprägt und in seinem Buch „Reinventing Organisations“ ausführlich vorgestellt wird. Dabei erzählen wir in unserer Kolumne von unseren Erfahrungen und best-practices, zeigen auf, warum es neue Paradigmen im Management braucht und erörtern, wieso TEAL unserer Meinung nach eine Lösung für momentane Herausforderungen sein kann. In den kommenden sechs Beiträgen teilen wir unsere praktischen Erfahrungen über das selbstorganisierte Arbeiten und geben einen tieferen Einblick in den evolutionären Sinn von TEAL-Organisationen und die Verbindung zum Feminismus. Durch die neuen Perspektiven wollen wir dazu einladen und inspirieren, traditionelle Organisationsstrukturen zu überdenken und Mut geben, neue Konzepte, wie TEAL, auszuprobieren.
Unsere Kolumnisten sind Andreas Kraus, Kathrin Kastel und Alexandra Wudel. Andreas hat enableYou 2020 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, menschenzentrierte Management-Paradigmen, wie Teal, in die (Arbeits)Welt zu tragen. Alexandra arbeitet als Agile Coach in der Politik. Außerdem arbeitet sie seit vielen Jahren als kritische Stimme im Bereich Wirtschaft und Technologie. Kathrin arbeitet als IT-Business Analyst mit einer Leidenschaft für Menschen und New Work in KMUs.