In einer Welt voller Ungleichheiten, Privilegien und Diskriminierungsdimensionen kann die Jobsuche für marginalisiert Menschen eine Herausforderung darstellen. Dabei befinden wir uns mittlerweile in einem Zeitalter, in dem diskriminierungssensibles Bewusstsein immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Auch Arbeitgeber*innen setzen sich vermehrt mit dem Potential einer diversen Belegschaft auseinander. Auch die soziale Herkunft sollte keine Hürde mehr für die Jobsuche darstellen, tut dies aber leider zu oft, weil Unternehmen den Fokus weiterhin auf traditionellere Kriterien richten.
Natalya, Gründerin von Netzwerk Chancen, und selbst erfolgreiche Aufsteigerin erzählte uns wieso man soziale Aufsteiger*innen nicht unterschätzen und übersehen sollte und wie wir eine stärkenorientierte Arbeitswelt jenseits der sozialen Herkunft erschaffen können.
Was fehlt sozialen Aufsteiger*innen und wie hält sie das im Arbeitsleben zurück?
- Selbstbewusstsein: Sie trauen sich bei gleichen Qualifikationen weniger zu und verkaufen sich dadurch oft unter Wert.
- Informationen: Sie wissen häufig nicht, worauf es auf dem Jobmarkt ankommt (Praktika, Zeugnisse, Weiterbildungen).
- Netzwerk: Sie haben keine Kontakte oder Fürsprecher, die sich für sie einsetzen und sie fördern.
Warum sind junge Menschen aus finanzschwachen oder nicht-akademischen Familien für Unternehmen wertvoll?
- Sie sind durchsetzungsstark: Aufsteiger müssen sich Erfolge (Bildung, Berufserfahrung) sehr hart und aus eigener Motivation erkämpfen.
- Sie sind lösungsorientiert: Aufsteiger kommen aus einem Umfeld, in dem Ressourcen extrem knapp sind und lernen daher früh, mit knappen Ressourcen die besten Ergebnisse zu erzielen.
- Sie sind anpassungsfähig, flexibel und gute Mediatoren: Aufsteiger haben die Transferleistung zwischen sozialen Gruppen durch ihren eigenen Aufstieg schon gemeistert. Dadurch mussten sie sich unterschiedlichen Umfeldern anpassen (familiäres Umfeld vs. Umfeld an Schulen oder Universität) und können somit gut zwischen diesen vermitteln.
Was schreckt Talente aus Nicht-Akademikerfamilien von einer Bewerbung ab?
- Formale Qualifikationen: bestimmte Abschlüsse, Studiengänge oder Zertifikate
- Zu hohe formale Anforderungen (bestimmte Anzahl an Jahren Erfahrung in einem bestimmten Bereich)
- Hochtragende Sprache und steifer Auftritt
Wie sehen Best-Practice-Ansätze zum Erreichen eines sozial diversen Bewerberkreises aus?
- Stellenanzeigen offener formulieren und dabei vor allem auf die Fähigkeiten eingehen, die die Person für die Stelle mitbringen sollte
- Stellenanzeigen breiter streuen (nicht nur LinkedIn und eigene Website sondern auch: Arbeitsagentur, Berufsschulen, Familienzentren)
- Menschen, die einem nicht ähnlich sind (sich anders kleiden, anders sprechen) in Interviews eine Chance geben
- Aktiv damit werben, dass man soziale Herkunft als Diversity-Merkmal ansieht
- Für größere Unternehmen: Diversity-Gruppe für Mitarbeitende mit einem nicht-akademischen oder finanzschwachen Hintergrund bilden und ihnen individuelle Unterstützung zusichern
Wo findet und erreicht man Aufsteiger überhaupt?
- Lokale und soziale Netzwerke, z. B. Sportvereine
- Angebote, die sich an Aufsteiger richten, z. B. Förderangebote, Stiftungen, Ausbildungsprogramme
Wie können (Einstiegs-)Stellen mit einer geringen Bezahlung, die aber langfristig gute Aufstiegschancen bieten, für Aufsteiger*innen zugänglich gemacht werden?
- Teilzeitmodelle erarbeiten, die Raum für zusätzliche Verdienste lassen
- Karrierepfade anbieten, die Aufsteigern den Erwerb von Qualifikationen ermöglichen, während sie bereits fürs Unternehmen tätig sind (duales Studium)