ursprünglich erschienen: 17.11.2016
Green City Solutions ist Gewinner des Green Alley Awards 2016. Im Interview erklärt das Team, in welchen Regionen ihr Produkt bereits im Einsatz ist, was die nächsten Schritte sind und wie sie auch Krisen gemeistert haben.
Ihr habt den „CityTree“ entwickelt. Erklär uns bitte nochmal genau, was er alles leisten kann.
Green City Solutions' Lösung für das globale Problem der Luftverschmutzung basiert auf einer Verknüpfung aktuellster Internet-der-Dinge-Technologie (IoT) mit der natürlichen Fähigkeit spezieller Pflanzen, hier insbesondere Moos-Kulturen, Feinstaub, Stickoxide und dadurch große Mengen an CO2-Äquivalenten aus der Luft zu filtern.
Vertikal an einer freistehenden Wand angebracht, entspricht die Umweltleistung des CityTrees der von 275 urbanen Bäumen –allerdings werden hierfür lediglich 5% der Kosten und 99% weniger Platz benötigt. Die mobile biotechnologische Konstruktion ist autark und flexibel im Raum aufstellbar. Jeder der vertikalen Pflanzenfilter kann die lokale Luftverschmutzung in einem Umkreis von bis zu 50Metern um bis zu 30% reduzieren. Der freistehende Biofilter verbessert die Aufenthaltsqualität durch Luftbelastungs-, Lärm- und Hitzereduktion. Aufgrund der IoT-Technologie, der Verwendung von Solarenergie und einem integrierten Wassertank werden nur wenige Stunden Wartungszeit pro Jahr benötigt. Die eigens entwickelte Technologie erfasst Daten zu den klimatischen Bedingungen, welche mit den Werten zur Luftqualität der Städte erweitert werden können.
Auf der Grünfläche können darüber hinaus analoge Informationen in Form von Schriftzügen und Bildern dargestellt und durch die Implementierung eines QR-Codes, von iBeacon, NFC oder Screens auch digitale Daten übertragen werden. Städten bieten wir so eine Lösung zur Luftreinhaltung und Unternehmen ein Mittel zur authentischen Außenkommunikation.
Handelt es sich beim „CityTree“ um einen Prototypen oder ist die Wand so bereits final?
Seit Juli 2013 arbeiteten die Gründer Vollzeit an der Realisierung ihrer Idee und konnten im April 2014 einen ersten Prototyp auf der Hannover Messe der Öffentlichkeit präsentieren. An diesem wurden zahlreiche Weiterentwicklungen getestet und anschließend eine Nullserie produziert, die als finaler Vorläufer zur Serienreife diente.
Auch in Zukunft wollen wir weiter wachsen und am Produkt arbeiten. Für dieses Ziel sind Forschungskooperationen mit renommierten Instituten angestoßen und Weiterentwicklungen in Planung.
In welchen Regionen kommt Euer Produkt bereits zum Einsatz?
Seit der Firmengründung im März 2014 konnten wir unsere smarten Biofilter in zahlreichen europäischen Städten präsentieren: Installationen befinden sich derzeit in Oslo (Norwegen, 2 Stück), Paris (Frankreich, 3 Stück) sowie in Städten in Sachsen, z.B. Dresden (3 Stück). Darüber hinaus wurde die erste Einheit in Asien bereits diesen Sommer in Hong Kong implementiert (1 CityTree).
Dank der freistehenden mobilen Konstruktion war der intelligente Filter außerdem zu mehreren temporärem Installationen in München, Berlin, Hannover, Halle, Jena, Regensburg, Krefeld und Dresden im Einsatz.
Wie kam Euch überhaupt der Gedanke, eine solche Wand in Kombination mit einer IoT-Technologie zu entwickeln?
Die Vision vom späteren CityTree entstand auf Reisen der Gründer in Asien und Südeuropa im Sommer. Während dieser Aufenthalte konnten sie die Probleme verdreckter Luft und massiver Aufheizung in Metropolregionen am eigenen Leib spüren. Bemerkenswert war, dass es sich umso unerträglicher anfühlte, je weiter sie sich von Grünflächen entfernten. So spürten sie im Vorbeigehen an begrünten Fassaden, bspw. in Madrid und Paris, wie diese Abhilfe für derartige Hotspot-Situationen schaffen können.
Erste Entwürfe der Kernelemente und -technologien wurden zeitnah nach diesen Reisen zu Papier gebracht. Die Internet of Things-Technologie hilft, die Pflanzen perfekt zu versorgen. Zahlreiche Sensoren messen am CityTree permanent eine Vielzahl von Werten, dank welcher wir wissen, wie sich das Mikroklima vor Ort gestaltet. Außerdem sind diese Informationen Grundlage für die automatische Bewässerung und die Nährstoffversorgung.
Mithilfe des intelligenten Pflanzenfilters lassen sich die Moose in der Stadt kultivieren, wo sie allein nicht überlebensfähig wären. Die Technologien wurden patentiert bzw. befinden sich aktuell in der Patentierungsphase. Dank der speziellen Kombination verbessert der CityTree die Aufenthaltsqualität durch Luftbelastungs-, Lärm- und Hitzereduktion.
Ist eine Eurer Visionen, dass der „CityTree“ bald echte Bäume ersetzen soll?
In keinster Weise. Wir sehen uns als Ergänzung der existierenden „herkömmlichen“ Stadtbegrünung, nicht als Substitution. Unsere Pflanzenfilter können an Stellen eingesetzt werden, an welchen diese aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich ist. An diesen Orten reinigt der CityTree die Luft in Höhe der Passanten, nicht auf 4-5 Metern Höhe der Baumkronen.
Green City Solutions‘ Ziel ist es, bereits heute intelligente und profitable Umwelt- und Klimadienstleistungen für zukunftsfähige und lebenswerte Städte zu entwickeln. Der CityTree dient als erster Baustein in unserer Vision einer Klimainfrastruktur.
Wie habt Ihr die Startfinanzierung für den „CityTree“ generiert?
Zunächst erfolgte eine Bootstrapping-Phase der Gründer und die Finanzierung mittels gewonnener Preisgelder, auf Basis staatlicher Gründerstipendien und Accelerator Programme sowie mit einem Bankkredit, bevor die ersten Gewinne aus Verkäufen erzielt werden konnten.
Gibt es eigentlich Konkurrenten, die ähnliche Produkte herstellen?
Obwohl herkömmliche Luft-Filter vor allem im Innenraum eingesetzt werden, wo die Menge an zu reinigender Luft begrenzt ist, erfordern diese eine konstante Stromversorgung und einen häufigen Wechsel der Filter-Pads, welche entsorgt werden müssen. Dank der selbst regenerierenden Mooskulturen reinigt der CityTree große Mengen an Außenluft ohne die Notwendigkeit des Austausches von Filter-Pads, während die selbstversorgende Einheit pro Jahr nur wenige Stunden Wartungszeit erfordert.
Unsere wichtigsten Konkurrenten bieten grüne Dächer oder Fassaden von Gebäuden, die entweder aufgrund der Extensivbegrünung, vorliegender Gewichtsbeschränkungen und der Lage über dem Straßenniveau (90% der Luftverschmutzung befinden sich den Straßenschluchten) die Luft nur geringfügig reinigen, oder die in der Regel nicht im Stadtzentrum in Hot-Spot-Bereichen anwendbar sind, v.a. aufgrund der Eigentümerstruktur. Unser völlig freistehender, mobiler CityTree löst diese Probleme und ermöglicht die Replizierbarkeit im städtischen Umfeld. Die Echtzeit-Überwachung garantiert die Kommunikation der aktuellen und konkreten Auswirkungen unseres Produktes, welche im Rahmen anderer Lösungsansätze, nicht zur Verfügung steht.
Moos wird im Rahmen von vertikalen Begrünungen von anderen Unternehmen genutzt. Doch bei vielen Firmen sind diese Produkte mit totem Moos ausgestattet, da sie keinen Zugang zu Bewässerungssystemen ermöglichen. In diesem Zusammenhang wird der notwendige elektrostatische Effekt ausgehebelt, der dazu genutzt wird, die Verschmutzung in Form von NOx, PM2,5 und PM10 in eigene Biomasse umzuwandeln.
Als ein Out-of-Home-Werbe-Werkzeug ergänzt unser CityTree traditionelle Plakate durch ein städtisches grünes Ökosystem. Die positiven Externalitäten von sauberer Luft ermöglichen unserem Produkt den Einsatz nicht nur als Werbemedium, sondern auch als CRS-Tool.
Was macht Ihr denn sonst noch bei Green City Solutions?
Das Gründerteam besteht aus vier Experten aus unterschiedlichsten Bereichen (siehe Frage 10), die eine mehr als 15-jährige Freundschaft verbindet. Das Team ist ein sehr wichtiger Faktor eines jeden Start-ups. Mit der Gründung von Green City Solutions wollten wir bereits heute intelligente Lösungen in den Bereichen Umweltdienstleistung, CleanTech und nachhaltige Stadtentwicklung anbieten, um Bewohnern zu einem gesünderen Leben in zukunftsfähigen, smarten, vernetzten und grünen Städten zu verhelfen. Dabei dient uns der CityTree als erster Baustein unserer Vision einer Klimainfrastruktur: Diese kombiniert Klima- und Umweltschutz mit Zielen der Klimawandelanpassung zu einer nachhaltigen Stadtinfrastruktur.
Hierfür gestalten sich unsere Arbeitstage recht abwechslungsreich und unterschiedlich. Da wir ein physisches Produkt vertreiben, fallen neben vielen Tätigkeiten am Computer verschiedenste andere Arbeiten an. So entwickeln und bauen wir bspw. neue Prototypen, arbeiten an Weiterentwicklungen und führen Versuche im Freien und in Gewächshäusern durch. Zusätzlich stehen natürlich auch hin und wieder Meetings und Besprechungen mit potentiellen Kunden, Unterstützern und Mitarbeitern an. In den nächsten Jahren wollen wir weiter wachsen und am Produkt arbeiten. Für dieses Ziel sind Forschungskooperationen mit renommierten Instituten angestoßen und Weiterentwicklungen in Planung. Zusätzlich zu den bekannten Services sollen weitere Elemente der existierenden Infrastruktur integriert werden, wie bspw. Paketstationen, Fahrkarten- oder Parkscheinautomaten.
Was war bisher Eure größte Krise?
Besonders in unserer Start-Phase galt es, viele Herausforderungen zu meistern. So begannen wir ohne bestehende relevante (Industrie-)Kontakte oder externe Finanzmittel. In diesem Zusammenhang erfolgten auch die Konstruktion, die Planung und der Aufbau des ersten Prototyps auf der HannoverMesse aus eigenen Mitteln und ohne externe Unterstützung. Die Finanzierungsabfolge gestaltete sich ohne Venture Capital.
Zu nennen sind an dieser Stelle ebenfalls die „Herausforderungen“, welche in Zusammenhang mit unserem – physischen – Produkt existieren. So ist unsere Entwicklung keine App, sondern ein 4 Meter hohes, 3 Meter breites und bis zu 4.500 kg schweres Konstrukt. Sowohl die (Prototypen-)Präsentation als auch die (Produkt-) Erstellung und der -transport gestalten sich daher weitaus komplexer.
Darüber hinaus war und ist es vonnöten, den Wechsel zwischen der „Business-Welt“ im Büro, bei Präsentationen und Veranstaltungen und der körperlichen Arbeit in der Werkstatt, bspw. im Rahmen des Prototypen-Baus, zu beherrschen.
Welche Fähigkeiten versammelt Ihr derzeit in Eurem Team?
Gegründet wurde unser Biotech und Internet der Dinge (IoT) Start-up von einem Expertenteam aus Architektur, Maschinenbau, Informatik und Gartenbau/Biologie, das gleichzeitig eine mehr als 15-jährige Freundschaft verbindet: Dénes Honus, Victor Splittgerber, Zhengliang Wu und Peter Sänger.
Die Verknüpfung von Biotechnologie, IoT, Maschinenbau und zukunftsweisender Stadtgestaltung ist so quasi bereits im Gründerteam und somit auch ganz direkt im Produkt verankert und garantiert bis heute unsere Einzigartigkeit am Markt.
Green City Solutions beschäftigt darüber hinaus zehn weitere Mitarbeiter in den Bereichen Soft- und Hardwareentwicklung bis Business Development.